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Kranke Kinder während Corona -ein Drahtseilakt

Ich bin ja wirklich hart im Nehmen, ehrlich, aber kranke Kinder während Corona sind nochmal ne ganz andere Hausnummer hier im Familienbetrieb.

Die letzten Wochen und Monate haben mir sämtliche Kräfte geraubt. Mein Vorrat an langen Nerven, Energie und die Kapazität an Enthusiasmus sind aufgebraucht. Dazu die steigenden positiven Coronatests und die damit wachsenden Schwurbelanhänger machen mir Angst. Ja, ich habe Angst. So richtig.

Und während diese Angst mich immer weiter aus meinem sozialen Leben zurück drängt, fangen sich meine Kinder eine Erkältung ein. Wirklich nur eine Erkältung? Ganz bestimmt. Oder? Schnupfen, ein bisschen Husten und ein brummender Schädel. Klassische Erkältungssymptome eben. Covid_19 kann es nicht sein, darf es nicht sein. Wir haben uns ja nicht umsonst so zurückgezogen und uns so gut wie möglich geschützt, während andere sich darüber echauffieren, dass eine Geldstrafe doch unverhältnismäßig sei, wenn man fahrlässig die Maske im Kontakt mit anderen Menschen nicht trägt.

Denn unabhängig von dieser Pandemie steht hier in zwei Wochen eine große OP für meine Große an. Vielleicht schaffe ich es, die Tage mal darüber zu berichten, aber momentan lähmt mich das Thema noch sehr. Ich will die OP nicht verschieben, denn sie ist wichtig und nötig. Ich möchte nicht, dass uns Corona oder eine dämliche Erkältung diese Option nimmt, die meiner Großen ein schmerzfreies Leben verspricht.

Während Corona eine normale Erkältung? 

Da sitzt man da und bangt und hofft. Zwischen Nasensauger, Taschentüchergate, nächtlichen Zimmerbesuchen, ob alles okay ist, versuche ich, selbst diese Erkältung abzuschütteln. Die Kinder selbst, die nehmen es mit Humor. Ein bisschen Schnupfen heißt schulfrei. Zwar nicht arbeitsfrei, aber sie können immerhin im Schlafanzug und eingekuschelt in eine Decke ihre Hausaufgaben erledigen. Sie müssen nicht zur Schule laufen, vor der alle noch gemütlich miteinander spielen, bevor sie sich die Masken aufsetzen und dann mit Abstand in verschiedene Klassen laufen.

Letztes Jahr hätte ich noch jeden belächelt, der sich wegen eines Schnupfens wahnsinnig macht. Ich hätte demjenigen etwas von Hypochondrie erzählt und Taschentücher gereicht. Tja, jetzt bin ich hier selbst angeschlagen, drei meiner Kinder schnupfen um die Wette und das Gedankenkarussell dreht sich. Hatten wir Kontakt zu Menschen mit Covid_19? Was sagt die Corona Warn-App? Tragen die anderen ihre Masken auch korrekt, um nicht doch noch mehr anzuschleppen?

Kranke Kinder während der Pandemie – ein Betreuungsdrama

Wir hier sind sehr privilegiert. Ich arbeite von zuhause aus, mein Mann hat einen geregelten Tag, kann notfalls seine Überstunden spontan zur Kinderbetreuung nutzen und hat einen sehr familienfreundlichen Arbeitgeber. Wir können es uns leisten, die Kinder krank daheim zu lassen. Hier findet kaum/kein Verdienstausfall statt, weil weder die Kinderkranktage noch Urlaubstage hierfür drauf gehen.

Ich weiß aber, wie andere ins Schlingern geraten. Wie ihnen die Situation über den Kopf wächst, sie auf den Job angewiesen sind und sich nach der ersten Welle diesen Ausfall schlichtweg finanziell nicht leisten können, weil sie auf die Fremdbetreuung von außen angewiesen sind, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Eltern sind auch nicht krank. Niemals. Weil sie gar keine Kapazität dafür aufbringen können, mal wirklich krank zu sein.

Kranke Kinder während Corona muss man sich leisten können. Das war außerhalb der Pandemie, also vor März schon schwierig. Allein, wenn ich mich daran erinnere, wie sehr ich mich über die Eltern aufgeregt habe, die ihren Kindern morgens Fiebersaft gaben, damit sie wenigstens bis mittags ihre Ruhe hatten. Jetzt könnte man meinen, die Arbeitgeber hätten durch die erste Welle und die Ausgangsbeschränkungen damals gelernt, dass Homeoffice kein Teufelswerk ist – aber viele, wirklich viele, sind wieder zurück gerudert.

Und andere Arbeitnehmer haben einfach gar nicht die Möglichkeit, die Arbeit von zuhause aus zu erledigen. Die Verkäuferin an der Kasse kann das schlecht am Wohnzimmertisch scannen und die Anästhesie legt sicher keinen Zugang in der eigenen Badewanne für die Blinddarm-OP.

Wie das Alleinerziehende stemmen, möchte ich mir erst gar nicht ausmalen. Wirklich nicht. Mir wird allein schon flau, wenn ich nur daran denke.

Homeoffice mit Kindern? Ich lass mich mal klonen.

Homeoffice bedeutet nämlich, dass man seine Arbeitszeit daheim am Laptop verbringt und dort die Aufgaben erledigt, die man sonst im Büro mit Anwesenheitspflicht schaukelt. Also eigentlich.

Aber da sind dann Kinder, die zwar krank daheim sind, aber dennoch Aufmerksamkeit brauchen. Kinder, die trotzdem die Hausaufgaben erledigen und den Schulstoff nachholen müssen. Da sind Kinder, die zwischendurch essen, trinken und die Windel gewechselt haben möchten. Kleine Menschen, die sich nicht mal eben selbst zum Kinderarzt fahren oder mit anderen Eltern wegen schulischer Termine in Verbindung setzen können. Kinder, die uns brauchen und trotz aller Beschäftigungsideen für kranke Mäuse nach Mama und Papa rufen.

Denn gerade kleineren Kindern fehlt dieses Verständnis, dass man, wenn man daheim ist, nicht die volle Aufmerksamkeit auf sie richten kann, sondern etwas anderes tun muss. Daheim sein bedeutet meist Freizeit. Das verstehen ja sogar manche Erwachsene noch nicht, wenn sie Eltern in ihrer natürlichen Umgebung, nämlich zwischen Schnodder, Stinkewindeln und Zahnpasta auf dem Shirt entdecken.

Das heißt: Wer mit kranken Kindern von zuhause aus arbeitet, hat doppelte und dreifache Belastung. Die Lohnarbeit muss laufen, die Kinder müssen betreut werden und nebenbei soll man die Unterrichtsinhalte auch vermitteln.

An wem das in den allermeisten Fällen dank noch immer veralteter Gesellschaftsstrukturen und Denkweisen hängen bleibt, muss ich wohl nicht erwähnen oder? Muddi macht schon. Mental Load vom Feinsten. Ist ja nicht so, dass nicht außenrum schon genug passiert.

Kranke Kinder während Corona – mein Zahnfleisch bekommt Hornhaut

Mein Freundeskreis erklärt mich wahrscheinlich schon für total verrückt, aber in den letzten Wochen und Monaten habe ich mit ganz viel Glück zweimal Menschen außerhalb unseres Haushalts getroffen. Also abgesehen vom Supermarkt. Das Coronavirus selbst sorgt dafür, dass wir uns verantwortungsbewusst verhalten, unsere sozialen Kontakte auf What’s App oder Telefonate (ich hasse es zu telefonieren) beschränken. Es sorgt dafür, dass die soziale Isolation, die viele Eltern spüren, verstärkt wird.

Ein Treffen organisieren, obwohl eines der Kinder eine Schniefnase hat? Nicht während Corona. Jemanden ins Haus lassen, der sich vorbildlich verhält, aber aus einem Risikogebiet kommt? Nee, lieber nicht. Geburtstag mit den engsten Freunden feiern, die man schon so lange nicht gesehen hat? Das kleine Covid_19 freut sich. Oma und Opa in den Arm nehmen, weil man sie so sehr vermisst? Nein, denn man muss sie und ihre Gesundheit schützen.

Das Konstrukt „Familie“ ist nicht dafür ausgelegt, alles allein zu stemmen. Es ist nicht dafür ausgelegt, sich zu isolieren und ohne jegliche echte Interaktion mit Außenstehenden auszukommen. Gespräche, die nicht nur über den Windelinhalt gehen, der Austausch mit anderen ist so essenziell für das Seelenheil. (Sogar durch diese Studie hier belegt.) Ebenso tun uns Berührungen gut. Eine Umarmung, einmal die Hand auf die andere legen, einfach mal durch die Haare wuscheln. Das senkt den Stress und stärkt das Wir-Gefühl. (Das kannst du auch fundiert hier nachlesen.)

Es fehlt so sehr, während die Last, dies alle zu stemmen gleichzeitig wächst. Und gleichzeitig fallen Auszeiten weg, die so dringend nötig wären, wie Andrea auf Runzelfüßchen schreibt.

Aber was bleibt uns denn anderes?

Weil wir uns bewusst sind, welche Gefahr durch das Virus ausgeht, bleiben unsere Kinder eben mit Schnupfen, Husten und anderen Erkältungssymptomen daheim. Weil wir es uns (zumindest finanziell) leisten können.

Das einzige, das bleibt, ist durchzuhalten. Für die Kinder, für uns, für unser Umfeld. Wir haben uns jetzt FFP2-Masken gekauft, um uns selbst zu schützen, waschen uns weiterhin vorbildlich die Hände, meiden unübersichtliche Menschenkontakte und hoffen, dass nicht noch mehr Menschen aus unserem persönlichen Umfeld gewendlert werden. Denn diese ganzen Schwurbler machen mich mürbe und sind gefährlich.

Dazu möchte ich dir übrigens das neue Video von maiLab ans Herz legen. Über Wissenschaftler, unbelegte Aussagen und Corona. Ein bisschen was zum Nachdenken eben.

Für meine Familie selbst möchte ich, dass ein Schnupfen ein Schnupfen und kein Coronastart ist. Ich wünsche mir, dass die OP der Großen stattfinden kann und Covid_19 uns keinen Strich durch die Rechnung macht. Ja, ich wünsche mir, dass wir genug Kraft haben, um auf Dauer daran zu wachsen und gestärkt aus dieser Pandemie gehen. Ohne unnötige Verluste, weil jemand sich die Narrenkrone aufsetzen lässt.

Und bis dahin grenzen wir uns eben selbst aus, jonglieren hier mit Mental Load, Ängsten und Nachrichten, konzentrieren uns auf uns und kneifen die Pobacken zusammen, um das alles unbeschadet zu überstehen.

Herzlichst, die Julie

 

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Kranke Kinder sind so schon ein Drahtseilakt. Während Corona allerdings schüren kranke Kinder Existenzängste und sind Privatvergnügen. Die Pandemie führt zu vermehrtem Mental Load, Mehrbelastung und sozialer Isolation.

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