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Wann bist du so groß geworden? // Der Zwerg wird 5

Der Zwerg rennt in den Keller an den Drucker vom Papa und holt sich ein Blatt. Dann fetzt er los, um sich die Holzstifte aus der Schublade der Vitrine zu holen und setzt sich mit gewissenhaftem Blick an den Tisch, um sein Werk zu beginnen. Die Farbauswahl trifft er sorgfältig. Und auch malt er mittlerweile nicht mehr, damit er malt, sondern weil er etwas bestimmtes verbildlichen will. Dabei hält er den Radiergummi in der anderen Hand, bereit, kleine Makel auszulöschen und das Bild für ihn perfekt abzurunden.

Weißt du, Mama, da dran, da kommt der Weihnachtsbaum hin. Kannst du mir bei den Kerzen helfen? Und da, siehst du, da kommt das Christkind rein. Aber nicht bei der Tür mit dem Herz. Und die Tür zum Dachboden, die ist offen. Weißt du warum, Mama? Da hat der Papa nämlich die Weihnachtsdeko runter geholt!

Und ich sitze ihm gegenüber, schmunzle und nehme den roten Stift für die Beleuchtung der „Lichterkette“ in die Hand. Genaue Anweisungen habe ich zu befolgen, in welcher Reihenfolge welche Kerze an den Baum gezaubert wird.

Während ich ihm bei seinem Meisterwerk behilflich sein darf und diese Zeit mit ihm, diese ruhige und ganz persönliche Zeit für uns beide, unheimlich genieße, frage ich mich, wann aus dem kleinen Würmchen mit den vielen Startschwierigkeiten so ein großer Zwerg geworden ist.

In nicht einmal einer Woche feiert dieser kleine Mann seinen Geburtstag. Der Zwerg wird 5. 5 Jahre ist er dann schon hier, dieser kleine Kerl, der unbedingt zu uns wollte. Der kleine Zwerg, der mir anfangs so viele Sorgen bereitet hatte, da war er noch nicht einmal auf der Welt.

Und nun sitzt er hier und malt. Und erzählt, wie sein Haus später aussehen soll und dass Herzen etwas schönes sind. Denn sie spenden Liebe und Kraft. Die strahlenden Augen, die er dabei hat, während er den Weihnachtsbaum ausmalt, berühren mich.

Der Zwerg merkt nun selber, er ist nicht mehr so klein. Er nimmt sich wahr. Und er nimmt seine Umwelt wahr. Er fängt an, Bedürfnisse und Wünsche zu unterscheiden und auch die Bedürfnisse anderer in seine Welt zu integrieren.

Trotz allem beschleicht mich ein wenig Wehmut. Der Zwerg wird 5. Wo ist dieses brabbelnde Kleinkind geblieben, das mit Vorliebe Gurke lutscht? Wann hat er aufgehört, nachts seine Finger in meine Haare einzudrehen? Kann er nicht einfach so klein bleiben und hier bei mir sein?

Doch ich bin auch stolz. Sehr sogar. Mir gegenüber sitzt ein kleiner Mann mit dem Herz auf der Zunge, mit dem Mut, seine Gefühle in Worte zu fassen und mit dem Vertrauen in uns, hier er selbst sein zu können. Da sitzt er, malt einen Regenbogen über sein Haus. Mit ganz vielen Farben. Und ein Herz darunter.

Weißt du, Mama, denn das Christkind braucht auch Liebe, sonst wird es traurig, wenn man sich nicht über es freut. Und der Regenbogen, der leuchtet den Engeln den Weg. Und Mama? Vielleicht sollten wir den Engeln noch ein Glas Milch hinstellen. So viele Kekse, wie die momentan backen, da haben sie sicher Durst, wenn sie die Geschenke ausliefern. Findest du nicht?

Und ich sitze noch immer da und schmunzle. Wir werden ein Glas Milch an das Fenster stellen, durch das das Christkind kommt, um ihm eine Überraschung unter den Weihnachtsbaum zu legen.

Dieser kleine Mann, er wird 5. Er ist schon verdammt groß geworden. Und ich bin dankbar. Dankbar für ihn. Dankbar, dass er sich festgekrallt hat und zu uns wollte. Und ich sauge den Moment ein und hoffe, diese Liebe und Wärme, die er heute zu geben hat, behält er sich ein Leben lang.

Ich bin gern seine Mama. Und ich freue mich darauf, ihn weiter wachsen zu sehen und an seinem Leben teilhaben zu dürfen.

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Ein Kommentar

  • Sonja

    Ich frag mich das auch! ?Anfangs dachte ich immer „An den Kindern sieht man wie die Zeit vergeht“ ist ein blöder Spruch von alten Tanten. Mittlerweile habe ich festgestellt, dass das nichts als die Wahrheit ist.
    Liebe Grüße aus Österreich Sonja

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