Darf man im Alltag mit Kindern mehr wollen? Julie, Mama von 6 Kindern, erzählt von ihrem Leben in der Großfamilie und wie sie mit ihrer Sehnsucht nach mehr umgeht. Ganz ohne Vorurteile oder Klischees.
Gedankenwelt,  Life

Großfamilienmama im Alltag mit Kindern – ich habe Sehnsucht nach mehr!

Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich darüber schreibe. Ob ich mich so nackt mache und mir eingestehe, dass mir der Alltag mit Kindern nicht ausreicht. Und doch sitze ich hier, tippe diese Worte, weil ich denke, dass es anderen Eltern den Druck nimmt. Das schlechte Gewissen beruhigt. Vielleicht auch, weil es ein Gefühl von „ich bin nicht allein“ erzeugt.

Seit fast 16 Jahren bin ich Mama. Mein erstes Kind kam im Studium, als ich gerade 22 Jahre alt war. Für uns nach 3 Jahren Beziehung der perfekte Zeitpunkt. Nach und nach wurden es immer mehr, bis wir uns nach dem 6. Kind sicher waren: Der Kinderwunsch ist abgeschlossen. Wir haben uns für dauerhafte Verhütungsmethoden, nämlich Vasektomie und Sterilisation, entschieden. Entgegen vieler Klischees wissen wir nämlich sehr wohl über Verhütung und Kinderplanung Bescheid.

Mein Tag besteht aus etwa 16 Stunden, in denen ich immer verfügbar bin, mich um den Haushalt, die Kinder, Hausaufgaben, Termine, Hobbies, Mahlzeiten und dergleichen kümmere. Nebenbei bin ich mit meinen Blogs selbstständig und bin als Studentin für Prävention und Gesundheitspsychologie eingeschrieben. Einen klassischen Job könnte ich gar nicht ausführen, weil hier ständig jemand krank ist, zu einem Arzttermin muss oder Hilfe braucht. Noch dazu bin ich chronisch krank, was mich auch ziemlich einschränkt. Vor allem, wenn die Migräne mal wieder mein Leben bestimmt.

Die Stunden hier sind ziemlich gut durchgetaktet, damit ich alles irgendwie unter einen Hut bekomme und natürlich fällt immer irgendwie etwas hinten runter. Aktuell lacht mich Mount Washmore hämisch aus, während die frisch geputzten Fenster dank Regen aussehen wie zuvor und im Hinterkopf habe ich meine ausstehende Hausarbeit, dass das kleine Mädchen noch Kuchen backen wollte und ich noch eine Schulbefreiung wegen eines Termins organisieren muss.

Und dennoch. Dennoch fehlt da aktuell was. Was für mich. Für mich alleine. Etwas, das über den Alltag mit Kindern hinaus geht.

Das heißt nicht, dass ich meine Kinder nicht liebe. Im Gegenteil. Sie sind mein Leben. Jedes einzelne war ein Wunschkind, ist gewollt und geliebt. So sehr, dass ich oftmals stundenlang Zweifel überhand nehmen lasse, ob ich genug gebe. Ob ich genug da bin, ob ich nicht doch hätte besser oder anders reagieren können. Alles, was ich kann, versuche ich, ihnen zu ermöglichen. Sowohl emotional, als auch sozial und finanziell. Weil sie es verdient haben. 

Und doch schreit mein Herz nach mehr. Nach Urlauben, die nicht nach Kindertauglichkeit geplant werden. Nach einem sauberen Zuhause, das nicht nur anhält, bis die nächsten Fingerchen sich auf den Scheiben verewigen. Und nach durchgeschlafenen Nächten und ausgiebigem Gammeln im Bett, bis der Hunger siegt. Ja, nach weniger Alltag mit Kindern. Ich habe Sehnsucht danach, wieder mehr ICH zu sein und weniger fremdbestimmt.

Der Alltag mit Kindern ist ein ständiges Abwägen aller Bedürfnisse. Bedürfnisse der Kinder, meiner und die von Manuel. Wir sind ständig dabei, Kompromisse zu finden, allem gerecht zu werden und meist bleibt für uns recht wenig übrig. Und das ist meistens auch okay. Nur gerade nimmt die Sehnsucht überhand. Nach Selbstbestimmung und ruhigen Minuten.

Die Große hat es neulich passend zusammengefasst:

Mama, du bist wie ein Celebrity – alle rufen nach dir und wollen was von dir!

Und auch eine liebe Freundin hat es vor kurzem passend formuliert. Es gibt für alles eine Zeit. Gerade ist die Zeit mit Kindern. Danach haben wir wieder Zeit für uns. Wir sollten den Moment genießen, denn in der nächsten Sekunde ist er eh schon wieder weg. Unsere Zeit wird wieder kommen. Die Zeit, in der wir ohne Babysitter ins Kino können. Die Zeit, wenn wir ausschlafen können, ohne dass ein kleines Leben morgens um 5 nach Kakao und Erdbeeren verlangt. Diese Zeit, in der wir uns die aktuelle vielleicht sogar zurück wünschen.

Was ich eigentlich sagen will: Es ist okay, Sehnsucht nach etwas zu haben, das aktuell nicht klappt. Es ist okay, damit zu hadern, wie das Leben gerade jetzt aussieht. Und es ist in Ordnung, dass das ausgewählte Leben an manchen Tagen vollkommene Erfüllung ist und sich an anderen wie Überleben anfühlt.

Wichtig ist nur, dass wir uns bewusst machen, was gerade in diesem Augenblick wichtig ist. Dass wir sehen, wo wir stehen, was wir erreicht haben und welche wunderbaren Privilegien wir genießen. Und dass wir unseren Kindern niemals das Gefühl geben, sie seien schuld daran, dass wir Eltern mit unserem Leben hadern. Denn das sind sie nicht. Das ist rein unser Problem.

Ich liebe meine Kinder und darf dennoch ab und an alles doof finden, mich nach mehr sehnen. Diese Gefühle existieren nebeneinander. Sie konkurrieren nicht. Und das ist okay.

Herzlichst, die Julie

 

Merke es dir für später:

Darf man im Alltag mit Kindern mehr wollen? Julie, Mama von 6 Kindern, erzählt von ihrem Leben in der Großfamilie und wie sie mit ihrer Sehnsucht nach mehr umgeht. Ganz ohne Vorurteile oder Klischees.

 

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2 Kommentare

  • Mesalunita

    Das hast du sehr schön geschrieben. Denn du hast recht, bei uns ist das auch öfter mal so. Abe rich habe es jetzt wieder gemerkt, der Kleine war 3 Tage zur Abschlussfahrt und plötzlich hatte ich freie Zeit, freie Zeit mit der ich so sponatn gar nichts wusste anzufangen. Daran merkt man, wie sehr sie doch den Tag bestimmen und wie komisch es sein wird, wenn sie größer oder vielleicht sogar ausgezogen sind. Daran möchte man aktuell irgendwie auch nicht denken.

    Fühl dich gegrüßt von einer Mitfühlenden!

  • Yvonne

    Danke für deine Ehrlichkeit und den wirklich schön geschriebenen Artikel mit der ungeschönten Wahrheit :-).
    Aber ja, die Zeit kommt bestimmt, dann haben wir wieder Zeit für uns, fühlen uns nicht mehr so fremdbestimmt und bestimmt hat dann auch diese Lebensphase was Schönes… und wer weiss, vielleicht vermissen wir dann die heutigen Zeiten oder denken mit Wehmut an diese.
    Und ja, du hast recht, mit Kindern gibt es immer was zu tun, hunderterlei Kleinigkeiten, die zu erledigen sind, wo man hinfahren muss, helfen muss, unterstützen muss,… Ich finde es immer lustig, wenn mein einer Kollege, der keine Kinder hat, mir mittags, wenn ich nach Hause gehe, einen schönen Feierabend wünscht. Der hat ja keine Ahnung, dass sobald man als Mama daheim ist, der zweite Job weitergeht und man nie weiss, ob und wann man da Feierabend hat und es gibt auch keine Wochenenden und keinen Urlaub. Aber auf der anderen Seite ist man auch nie alleine mit Kindern und Familie. Hat auch was Schönes.
    Einen schönen Feiertag euch morgen!

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