Julie, Mama von 5, schreibt darüber, was gerade zu Corona schief läuft. Wie Eltern und Kinder zu Versuchskaninchen werden und die Politik derweil im Aufzug kuschelt.
Life,  Gedankenwelt

Corona hat mich radikalisiert – ein Rant

Corona hat mich radikalisiert – ich gebe es zu! Schon zuvor fand ich Gruppenkuscheln in der Menschenmenge unangenehm, suchte mir meine Freunde mit Bedacht aus und versuchte, Einkauf nicht zum Sport verkommen zu lassen. Ich fand es furchtbar anstrengend, Menschen aus Höflichkeit die Hand zu geben und, weil die Kinder ja die gleiche Klasse besuchen, mit vielen Eltern auf kleinen Stühlen im Klassenzimmer Elternabende mitzuerleben. Ja, ich fand (viele) Menschen auch vorher schon anstrengend, unangenehm und zuviel.

Corona hat mich radikalisiert

Denn mittlerweile bekomme ich richtig Wut im Bauch, wenn ich Hildmann-Schwurbler und Corona-Leugner sehe. Ich kriege richtige Hassgefühle, wenn Menschen sagen, sie hätten das Recht auf das Virus und die Ansteckung mit eben diesem. Ich brodle leise (und manchmal wirklich laut), wenn ich höre, das Ganze sei doch gar nicht so schlimm und würde nur hoch geschaukelt. Ja, ich bin sogar richtig entsetzt, wenn mir jemand einfach die Hand geben möchte. Geht’s noch?

Und dann kommen sie aus den Löchern gekrochen, die Leute, die aus Corona noch Gewinn ziehen wollen…

Ich hatte ja schon einmal darüber geschrieben, wie sehr mich diese Anfragen zur Selbstoptimierung nerven (hier kommst du zu diesem Artikel). Ja, aber gerade jetzt hat man doch so viel Zeit – oder?  Gerade jetzt muss man sich doch um sich kümmern, nech?

Ehrlich, es kotzt mich an. Ich habe seit 14 Wochen fast durchgehend alle 5 Kinder an mir, schlafe scheiße, esse noch mehr Mist, um zu überleben und bin froh, wenn ich 5 Minuten allein auf dem Klo sitzen kann. Und dann kommt da so ein Herzchen um die Ecke und möchte mir erzählen, wo und wie ich mich denn um die beste Form meines Selbst zu kümmern habe? Und wenn ich freundlich „Danke, kein Bedarf“ antworte, wird noch bedrängt?

Ich würde diesen selbsternannten Prowin-Ringana-Fitness-Ernährungsgurus gern einfach mal für 2 verdammte Tage alle Kinder, den Haushalt und den hier enthaltenen Lagerkoller aufdrücken. Ich schwöre, die großen Sprücheklopfer wären spätestens dann geheilt und würden sich zweimal überlegen, ob sie ihnen wildfremden Personen nochmal so einen Mist vor die Füße rotzen!

Corona hat mich radikalisiert – auch der Bekanntenkreis schrumpft!

Wie oben schon erwähnt, hab ich diese Hildmann-Naidoo-Bildleser so verdammt gern. Ich hab sie so gern, dass ich ihnen ein Leben ohne mich als Ballast wünsche und sie deshalb mittlerweile rigoros ausschließe. Nicht einmal mehr grüßen mag ich solche Menschen.

Aber mal so am Rande: So eine große Verschwörung, die uns mit Mikrochips ausstatten und unseren Geist transferieren möchte, läuft doch ziemlich schief, wenn sie jeder Honk durchblickt und öffentlich breit treten kann oder?

Ja, sowohl in den sozialen Medien als auch im echten Leben habe ich aussortiert. Denn gegen so nen Kackmist hilft kein logisches Argument. Vielleicht sollte man alle diese Menschen mal in einem Saal groß Party machen lassen und sie dürfen dann selbst erfahren, wie toll es ist, am Beatmungsschlauch zu hängen. Ach nee, hatten wir ja in Berlin mit der Schlauchbootparty (Quelle: Merkur). Ein Protest für das Berliner Nachtleben. Und dann vor einem Krankenhaus.

In diesem Augenblick wäre ich gern begabt im Bogenschießen und in einem der umliegenden Hochhäuser am Fenster gewesen. Robin Hood in der modernen Fassung oder so ähnlich. Vielleicht hätte es die Hirne der Schlauchbootheinis wieder ein bisschen abgekühlt, wenn die Boote aufgegeben hätten.

Auch hier im Umfeld ist buntes Durchmischen der Kinder. Genauso lese ich es auf Twitter und bekomme es von anderen Bekannten per WA zugetragen. Wir halten uns nämlich noch ziemlich penibel an die Ausgangsbeschränkung – und sind damit sowas wie die Sonderlinge, die ihre Rolle hier nur bestätigen.

Und dann gibt es die Eltern, die #Coronaleltern, die sich dafür einsetzen (nachzulesen z.B. bei Mama notes), dass Care-Arbeit sichtbar wird. Die offenlegen, wie schief es gerade lief und läuft.

Wir Eltern bekommen als Reaktion 300 € Schweigegeld. Ach nee, Kinderbonus wird es ja beschönigend genannt. Danke aber auch!

(Quelle: Süddeutsche) Ich will nicht sagen, dass mir die 300€ pro Kind nicht helfen. Die Kinder brauchen dringend neue Sandalen und die Kosten für die Musikschule liefen trotz massiver Einbußen und nicht stattfindendem Unterricht weiter. Von den Druckerpatronen möchte ich erst gar nicht anfangen. Und habe ich schon den PC erwähnt, den wir der Großen kaufen mussten, damit sie angemessen ihre Aufgaben aus dem Homeschooling erledigen konnte/kann?

Aber es ist einfach anmaßend, frech und nur eine Kurzzeitlösung. Wo sind die Lernmittel und Bildungszugänge für sozial schwächere Familien, die das Geld brauchen, damit sie ihren Wocheneinkauf davon bezahlen werden? Wo sind die Möglichkeiten für die Kinder, technisch fair ausgestattet zu werden, um die Bildungschancen auszugleichen?

Derweil werden Großkonzerne einfach mal in Milliardenhöhe bezuschusst!

Warum bekommt die Lufthansa so hohe Beträge, die an KEINERLEI Bedingungen geknüpft werden? Und warum gibt es eine Prämie für Autos? Denken die „da oben“ wirklich, von den läppischen 300 € (die nebenbei bemerkt Alleinerziehenden und Menschen mit höherem Jahreseinkommen gar nicht bleiben) reichen, um ein Auto zu finanzieren oder den nächsten Flugurlaub zu buchen? Als hätten wir Eltern keine anderen Sorgen.

Wir Eltern leisten hier doppelte und dreifache Arbeit. Neben den normalen Jobs sollen wir diese lächerlichen uneinheitlichen Schulöffnungen jonglieren, nebenbei die Kinder adäquat versorgen und zu Kreuze kriechen, weil der Regierung einfällt, da sind ja Kinder, die kosten was, auch wenn der Lohn wegfällt.

Abgesehen davon: Hab ich schon erwähnt, dass wir seit superduper 14 (!) Wochen auf den Kindergeldzuschlag warten, da mein Mann sich im Krankengeld befindet und meine Einnahmen dank Corona gleich null sind?

Aber hey, Eltern sind überlastet – lasst uns doch die Schulen und Kindergärten ganz öffnen – gratis Studien, wie sehr sich unüberlegtes Handeln auf die Infektionsrate auswirkt.

So und nicht anders müssen die Heinis doch gedacht haben, die nach dem idiotischen „Jede Schule braut ihr Süppchen“-Öffnen in NRW und Brandenburg beschlossen haben, man könne ja 1-2 Wochen vor den Sommerferien mit ungeschütztem Vollunterricht beginnen.

Nachdem wir Eltern die Kinder wohlgemerkt nun fast 3 Monate komplett isoliert und vertröstet haben, gibt es also vollgas vom Staat geförderte Coronapartys. Aber hey, immerhin sind die Kinder wieder betreut (oder auch nicht), die Eltern dürfen weiter mit diversen Schulzeiten und Kitazeiten jonglieren und dürfen sich dank der großartigen Spende von 300€ pro Kind nicht beschweren.

Das wiegt natürlich die psychische Belastung dieser Zeit komplett wieder auf. Das sind wir also wert – oder besser gesagt unsere Kinder. Derweil lachen sich die Politiker eins ins Fäustchen. Vielleicht hätten sie mal abends um 19 Uhr für die Lufthansa klatschen sollen und das Geld – das sind übrigens nochmals etwa 120 Euro pro Kopf – in die Bildungszugänge der Kinder stecken können. Ach nee, die bringen ja der Infrastruktur nix, gell?

Ja, ich vermische hier einiges. Aber es läuft auch fließend ineinander über. 

Und dann wären wir auch schon bei der Maskenpflicht, die großmütig nach 2 Monaten Pandemie angeordnet wurde. Maskenpflicht, die wohl nur für den Normalo gilt. Die Politiker haben es ja nicht nötig. Die kuscheln sogar im Aufzug, während eine Rentnerin (ich finde den Link dazu leider nicht mehr) auf ihrem Spaziergang wegen Eichhörnchen füttern zu einer Geldstrafe verdonnert wurde. 

Aber das Messen mit zweierlei Maß ging ja schon immer gut.

Seit der Maskenpflicht haben die Leute also anscheinend wieder das Recht auf Kuschelkurs zu gehen. Weißt du eigentlich, wie ekelhaft es ist, wenn dir jemand an der Kasse in den Nacken atmet? Wie unangenehm es ist, wenn sich jemand an dir vorbei schrammt, weil er nicht abwarten kann, bis du weiter gehst? Aber dank MNS sind wir ja alle so super geschützt, dass die Abstandsregeln nicht mehr gelten.

Vor Corona mochte ich das schon nicht. Heute reagiere ich nur noch patzig. Ja auch richtig grantig. Was soll das?! Können wir das auch danach beibehalten, dass uns niemand zu nahe kommt? Bitte! Naja, außer die Herren und Damen da in Berlin, die munter fröhlich wieder Schulen und Einrichtungen öffnen und unsere Kinder für eine Breitbandstudie missbrauchen. Die dürfen gern ohne Schutz und Abstand kuscheln. Weil wichtige Leute befällt das Virus ja nicht. Oder?

Ja, manchmal möchte ich die Leute einfach nur drücken. Lang und fest. Bis die Luft weg bleibt.

Tu ich aber nicht. Denn ich bin ja anständig, halte mich daran, mich mit so wenigen wie möglich zu treffen und den Abstand zu wahren. Und drücken aus der Ferne funktioniert leider nicht so gut. Aber manchmal, da muss ich diesen ersten Impuls unterdrücken und klopfe mir dann dafür anerkennend auf die Schulter.

Es entscheidet ja noch jeder selbst, wie viel ihm seine Gesundheit, Leben und das seiner Mitmenschen wert ist.

Und ja, ich kann dich trotzdem freundlich anlächeln, dich nett darauf hinweisen, dass du gefälligst wieder zwei Schritte weg von mir rückst und mir innerlich denken „Meine Güte, ein Depp. Da ist der Aluhut aber zu eng gesessen!“.

In Situationen, in denen ich zuvor schon genervt war, entgleitet mir nun einfach jegliches Verständnis. Manchmal ist man uninformiert und manchmal ist man halt einfach ein Arsch, der sich über alles stellt und bewusst Schwurbel streut. Im ersten Fall hilft Aufklärung. Im zweiten Fall ist das vorsätzlich und einfach nur brandgefährlich für Menschen, deren Informationskette nicht auf seriöse Medien zurück geht und der Horizont tiefer sitzt.

Und letztere bitte ich nun auch aufrichtig: Geh bitte. Du brauchst auch nicht tschüss sagen. Ich werde dich nicht vermissen!

Küsschen aufs Nüsschen!

 

Dir gefällt, was du liest? Dann gib mir doch nen Kaffee aus. Oder zwei! 🙂 Vielen Dank!

10 Kommentare

  • Sabiene

    Ich bin fast ganz deiner Meinung. Und es frustriert mich sehr, wenn ich höre, mit welchen kruden Gedanken nun Bekannte daherkommen. Früher waren das Menschen, die ich durchaus wegen ihrer Integrität geschätzt habe. Nun drehen sie plötzlich am Rad, weil sie beim Einkaufen einen Mundschutz tragen müssen und glauben, dass die Schweden alles besser machen.
    Seltsam.
    In der Krise zeigt sich halt doch der Charakter.
    LG
    Sabiene

    • Julie

      Liebe Sabine,
      wenn man die Fallzahlen in Schweden auf Erkrankungen und Tote pro 1000 hochrechnet, sieht es in Schweden sehr schlecht aus. Nur ist da die Bevölkerungsdichte einfach so gering, dass sich die Absolutzahlen halt ganz harmlos anhören. Aber das sieht kaum einer in der Relation. Schade.
      Was und wie es im Endeffekt richtig ist, wird sich leider erst im Nachhinein zeigen.
      Viele Grüße

  • Nikki

    Ein toller Artikel und bin ganz deiner Meinung. Hier in Hessen müssen die Grundschulkids ab 22. Juni wieder ganz zur Schule. Ohne Abstand, ohne Mundschutz. Für mich heißt das sie nehmen diese Kinder wozu auch mein kleiner Sohn zählt als Versuchskaninchen. Aber großzügig die Schulpflicht freigestellt. Ich versteh die Menschen nicht mehr.

    • Julie

      Oh Mann, das tut mir so leid für euch. Diese Entscheidungen werden einfach von Menschen beschlossen, die selbst schon so sehr im Lebensabend sind, dass sie von Kindern und deren Bedürfnissen nichts mehr wissen.

  • Ulrike

    Ich verstehe, dass Du wütend bist. Doch Dein unsachlicher Ton und die sehr einfache Wortwahl stößt mich ab. Du pauschalisierst und wirkst wenig überlegt und kaum tolerant. Jeder hat in dieser Zeit mit unterschiedlichsten Problemen zu kämpfen. Dir mag manche Förderung nicht gefallen, weil Du persönlich nichts davon hast. Doch es geht gerade nicht nur um Dich. Ich wünsche Dir, dass Du zu viel mehr innerem Frieden findest. Mit Wut und Hass schadest Du nur Dir selbst und bewirkst gar nichts.
    Alles Gute
    Ulrike

    • Julie

      Liebe Ulrike,
      ich weiß nicht, ob dir die Definition eines Rants bewusst ist. Dies hier ist ein – mein – persönlicher Blog. Und hier geht es – doch ganz genau – um mich! Deswegen schreibe ich hier darüber was mich wie beschäftigt und Sprache ist dazu ein Mittel zum Zweck. Ein Stilmittel, das ich bewusst je nach Thema einsetze. Desweiteren sollte dir Sarkasmus ein Begriff sein, der in diesem Artikel nonstop zum Einsatz kommt. Aber es steht dir frei, oben rechts das X zu drücken, um mich nicht mehr lesen zu müssen.
      Denn bevor ich schweige und alles mit mir selbst ausmache, lasse ich meinen Gefühlen lieber den Raum, an die Oberfläche zu kommen und danach abzuklingen. Zu allen Themen Zucker aus dem Hintern zu blasen ist nämlich auch nicht immer sinnvoll.
      Herzlichst, die Julie

  • Sonja

    Super! 🙂
    Was das Corona-Thema betrifft möchte ich mich garnicht äußern – das würde den Rahmen sprengen! Aber ich möchte trotzdem einen Kommentar dalassen um dir zu sagen wie stark und mutig ich es finde seine Meinung öffentlich und mit Nachdruck zu vertreten!

    • Julie

      Liebe Sonja,
      ich finde, genau dazu sind Blogs da. Um Meinungen und verschiedene Blickwinkel zu präsentieren, um sich auch mal Luft zu machen und auf Misstände aufmerksam zu machen. Vielen Dank daher für deine Bestärkung!
      Liebe Grüße

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