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Wie viel Kinder kooperieren // Bedürfnisse wahrnehmen und achten

Dass unsere Kinder kooperieren ist uns oft gar nicht bewusst.

So oft sehe ich das Verhalten des Zwerges als selbstverständlich an, verlange von ihm Kompromisse, setze ihm meine Wünsche vor und merke gar nicht, wie sehr er kooperiert. Vor allem an stressigen Tagen erwarte ich innerlich, dass er funktioniert und mache mir selten Gedanken, dass er übergangen wird. Und ich fühle mich schlecht deswegen. Sehr sogar. Denn seine Wünsche und Bedürfnisse sind mindestens genauso wichtig wie meine.

Wie viel Kinder kooperieren, wurde mir gestern Abend wieder sehr bewusst.

Gestern war wieder so ein Tag zum Haare raufen. Die Nacht war verdammt kurz, weil die Mädels am Tag zuvor ziemlich spät einen Auftritt hatten. Morgens waren sie dementsprechend mies gelaunt, motzten, meckerten, rieben sich die Augen und mussten dann auch noch Hausaufgabenreste erledigen, weil davor schlichtweg keine Zeit blieb. Dann war die Große mit dem Herzmann in der Kirche, während ich Geschenke fertig bastelte und verlangte, dass die beiden Mittleren dem Kleinsten beim Zähneputzen und Socken anziehen helfen.

Natürlich waren wir zu spät dran, weil die Geschenke nicht fertig wurden und die Große den Schlendrian im Erbgut hat. Also gab es die Schuhe, die ich für richtig hielt, ob es dem Zwerg passte oder nicht. Im Auto war das Augenmerk wieder auf beide Mädels gerichtet, denn wer kann sich verbal besser kloppen als die beiden?! Währenddessen erklärte der Zwerg dem Frosch die Welt und stellte uns wissbegierig Fragen, die wir oft einfach abwürgen mussten, weil wir damit beschäftigt waren, die Mädels so zu bändigen, dass es nicht in Handgreiflichkeiten endet.

Bei den Ziehgroßeltern ging das Drama weiter. Der Frosch warf mit Bauklötzen, die Große eckte überall mit der Ukulele an und die Prinzessen wälzte sich mit dem teuren Dirndl („Maus, wenn du das anziehst, ist nix mit toben. Willst du nicht doch lieber eine Hose?“) auf dem Boden. Vom Zwerg hörte man kaum etwas. Einmal wollte er uns ein Konzert geben und wurde geschlagene 15 Minuten vertröstet und wartete auch geduldig, während die Prinzessin einfach ihre Geige packte und an den Seiten zupfte. Schließlich ging ich zu ihm ins Wohnzimmer, damit er nicht bis in alle Ewigkeiten, brav auf seinem Sitzkissen sitzend, auf uns wartete und applaudierte kräftig.

Vom Drama am Esstisch mit umgeleerten Milchtassen und dergleichen brauche ich erst gar nicht anfangen. Es war einfach nur stressig für mich und ich fand mich in Dauerschleife „Ich möchte, dass du aufhörst!“ sagend und Tragödien beseitigend wieder.

Gefahren sind wir dann, nachdem ich merkte, dass der Erklärbär („Bitte sammle die Bausteine ein, die Oma fällt sonst drüber.“ „Hör auf, mit den Autos zu werfen, sonst triffst du noch jemanden!“) nicht mehr weiter kommt und ich komplett an meine Grenzen gerate. Für die Ziehgroßeltern war das sicher auch nicht toll, obwohl der Opa sich alle Mühe gab, über den Boden zu kriechen, bei den Ukulelestücken der Großen etwas zu singen und sich grazil zu ducken, wenn ein Auto flog.

Im Auto hatten wir dann wieder zwei Mädels, die stinksauer auf mich waren, weil ich ihnen den Spaß verdorben hatte. Mädels, die mit vorwarfen, ich sei gemein, verstehe keinen Spaß und höre ja sowieso nie zu. Und der Zwerg? Der blödelte derweil die komplette Zeit über mit dem Frosch, damit der nicht während der Fahrt einschlief. Du kennst das Drama, wenn Kinder nachmittags gegen 16 Uhr ins Land der Träume reisen? 😉

Abends dann, als es ins Bett gehen sollte, war der Zwerg einfach durch. Er war weinerlich, sagte, er mag ins Bett getragen werden und kann nicht mehr laufen. Und wir? Wir waren einfach nur genervt. Genervt davon, dass er jetzt auch noch zu jammern begann. Getragen haben wir ihn dennoch. Und ihm die Zähne geschrubbt, ihn ins Bett gelegt und ihm einen dicken Kuss auf die Stirn gegeben.

Und dann saßen wir da, der Herzmann und ich und ließen den Tag Revue passieren.

Den ganzen Tag über – und auch schon den Tag davor – ging es nur um die beiden Damen und ihre Streitereien. Wir waren nur damit beschäftigt, ihre Belange zu klären, sie an ihre Aufgaben (Kirche wegen Kommunionsstunden, Hausaufgaben wegen Schule, Kaninchen füttern, weil Hunger, usw.) zu erinnern und sie zu begleiten, ermahnen und ihre Streitigkeiten zu schlichten. Der Zwerg lief einfach nur nebenher, beschäftigte sich meist ruhig und kooperierte am laufenden Band. Und abends, als er seine Chance sah und der ganze Stress auch von ihm abfiel, nahmen wir seine Bedürfnisse nur genervt wahr.

Ehrlich, ich schäme mich, wenn ich nur daran denke, wie sehr er gestern zurück gesteckt hat und wie wenig ich neben den Zickereien der Mädels ich das realisiert habe. Die halbe Nacht lag ich wach und habe mir überlegt, wie ich nun allen Bedürfnissen gerecht werden kann, ohne dass mir jemand auskommt. Und ich kam zu dem Schluss, dass ich nicht immer jedem gerecht werden kann. Aber ich kann es versuchen und meine Handlungen hinterfragen.

Heute sieht die Welt wieder ganz anders aus.

Während ich hier schreibe, spielt der Zwerg mit dem Frosch Lego Duplo. Manchmal schaut er auf und präsentiert mir sein neuestes Bauwerk. Und zwischendrin unterbreche ich auch einfach die Schreiberei und frage ihn, ob alles okay ist oder ob er auch Wünsche hat. Jetzt habe ich Zeit. Zeit, mich auf ihn und seinen Bruder zu konzentrieren. Die Mädels sind in der Schule, der Herzmann ist unterwegs und wir sind unter uns. Ich nehme ihn bewusst wahr und ebenso die Kompromisse, die er heute schon mit mir geschlossen hat. Und das sind einige.

Wie viel Kinder kooperieren, das vergessen wir gern. 

Wir bestimmen zum Großteil ihr Leben. Je kleiner die Mäuse sind, desto mehr haben wir noch alle Strippen in der Hand. Wir bestimmen ihren Tagesablauf, was sie essen (auch wenn es hier eine Auswahl gibt), wo wir sie unterstützen, was sie selbst schaffen müssen, usw. Unsere Kinder kooperieren in jeglicher erdenklichen Situation. Und oft ist es für uns einfach nur selbstverständlich, schließlich sind wir ja groß und wissen es (manchmal, vielleicht sogar oft) einfach besser.

Dass aber auch bei unseren Mäusen irgendwann Schluss ist und der Punkt erreicht, an dem sie selbst Raum für ihre Bedürfnisse und Aufmerksamkeit brauchen, das sollte uns auch bewusst sein. Diese kleinen Leben haben genauso ein Recht darauf, sich auszudrücken, ihren Gefühlen Platz einzuräumen und zu sagen „Bis hierhin und nicht weiter!“. Und wir sollten darauf achten, dass auch ihre Grenzen gewahrt werden und wir vielleicht hinterfragen, ob unser Weg jetzt richtig ist oder ob es auch eine andere Möglichkeit gibt.

 Der Zwerg hat mir gestern die Augen geöffnet und mir meine eigene „Betriebsblindheit“ aufgezeigt. Jetzt ist es an mir, daran zu arbeiten, dass er zwischen all dem Trubel nicht untergeht.

Nicht nur die Mäuse müssen mit uns kooperieren, sondern wir auch mit ihnen. Und Kompromisse lassen sich fast überall finden, denke ich. Auch ohne Tränchen und genervte Eltern. Nur muss der Sprung über den Schatten eben auch gewagt werden.

Die Julie

 

Merke es dir für später:

Kinder kooperieren, wenn es für sie Sinn ergibt. Kindern sollte man aber auch den Raum geben zu protestieren und sich abzugrenzen. Den Raum, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und sich abzugrenzen. #erziehung #kinder #familie

 

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6 Kommentare

  • Mama Maus

    Hallo Julie,

    Diese Tage kenne ich.
    Zwei Kinder fordern ungemein und die anderen beiden bleiben gefühlt auf der Strecke.

    Ich finde es toll, wie du das reflektierst und es versuchst beim nächsten Mal besser zu machen.

    Viele Grüße
    Mama Maus

    • puddingklecks

      Liebe Mama Maus,
      danke für deinen Kommentar.
      Ja, manchmal ist da einfach der Wurm drin und man bemerkt es erst im Nachhinein. Ich hoffe wirklich, dass wir auf Dauer eine Möglichkeit finden, dass keiner mehr so untergeht.

      Liebe Grüße

  • Sarah

    Hi Julie,
    danke für diesen wunderbaren Text! Ich habe aktuell genau DAS Thema. Ich probiere neue Sachen aus und finde es soooo schwer, mein Verhalten zu ändern.
    Ich übe.
    Danke!

    • puddingklecks

      Hallo Sarah! 🙂
      Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Das zu durchbrechen, das ist wahnsinnig schwer. Ich meine, mal gelesen zu haben, dass es über 3 Monate braucht, bis sich neue Verhaltensweisen etabliert und die alten überschrieben haben. Da heißt es wohl, einfach dran bleiben.

      Es tut übrigens gut zu wissen, dass es nicht nur mir so geht.

      Viele Grüße.

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