Life,  Gedankenwelt

Tut mir leid, ich gebe nichts! // Spendenaufrufe vor Weihnachten

Jedes Jahr zur Vorweihnachtszeit trudeln sie ein. In Form von Briefen, vorgestanzten Pappkartons, die man zu Schächtelchen falten kann, kleinen Notizen im Hausaufgabenheft. Wovon ich rede? Von den Spendenaufrufen der Schule, der Elternbeiräte, der diversen Organisationen, die kurz vor Weihnachtszeit die größte Spendenbereitschaft wittern.

Anfangs, als die Mäuse noch klein waren, gab ich immer den von uns gewünschten Betrag. Als junge Mutter wollte ich mir nicht nachsagen lassen, dass wir uns nicht integrieren, unseren Teil zur Gemeinschaft nicht beitragen, unsozial sind.

Doch mittlerweile finde ich es nur noch dreist. Im einen Elternbrief des Elternbeirats wurde um eine Spende von 5 € pro Schulkind für die Lehrkraft gebeten. Im anderen ging es um eine Spende von 3 € pro Kind. Nebenbei wurden im Religionsunterricht die typischen Opferkästchen zum selbst Zusammenbauen ausgeteilt. Auch der Elternbeirat des Kindergartens verlangte Kuchenspenden zum Verkauf, denn schließlich käme das den Kindern zugute.

Aber ernsthaft. 5 € pro Kind? Das sind bei 20 Schülern 100 €. Hundert! Was schenkt man einer Lehrkraft für einhundert Euro? Wäre eine liebevoll gebastelte Karte mit Unterschrift aller Kinder nicht weit schöner und sinnvoller als das „Höher-Besser-Weiter“? Mal abgesehen davon, dass Lehrpersonen keine Geschenke über 10 € annehmen dürfen. Dieses Konsumdenken und der Wunsch, sich von Jahr zu Jahr zu übertrumpfen, stört mich so dermaßen. Sollte Weihnachten nicht für etwas anderes stehen?

Und dann diese Opferkästchen. Sie werden im Religionsunterricht ausgeteilt und sollen auch bitte dort wieder gefüllt abgegeben werden. Den Kindern – und damit uns Eltern – wird damit aufgezwungen, Geld zu spenden, obwohl nicht einmal offensichtlich ist, wofür. Na klar muss möglichst viel Klimpergeld darin landen, denn es wird verglichen, darüber geredet und Kinder, die es nicht zurück geben, sind schon mal unten durch, denn sie sind zu knausrig. Ich meine, ernsthaft?

Heute dann der krönende Abschluss. Ich wurde von der Mama eines Schulkameraden angerufen, ob der Spendenaufruf auch wirklich angekommen sei und ob ich mich denn nicht beteiligen wolle. Auf meinen Einwand, dass Lehrkräfte Geschenke dieser Höhe nicht annehmen dürfen und wir uns daher enthalten, wurde ziemlich verdutzt aufgelegt. Und ich wurde, nachdem ich meine Gedanken sammeln konnte, einfach nur wütend.

Ich will nicht dazu genötigt werden, etwas geben zu müssen. Ich mag es einfach nicht, wenn über meinen Kopf entschieden wird. Und noch weniger mag ich es, wenn man das auf dem Rücken meiner Kinder austrägt und ihnen indirekt ein schlechtes Gewissen macht, weil die Mama nicht bei jeder Spendenbitte freudig aufhüpft und die Geldbörse öffnet. Und zum Teil fühle ich mich einfach nur bloßgestellt. Bloßgestellt, weil ich nach zwei Theaterfahrten und diversem anderen Schnickschnack der Schule nicht auch noch das Geld für – in meinen Augen überflüssige – Geschenke aufbringen kann. Bloßgestellt, weil ich mich vor meinen Kindern rechtfertigen muss, dass dieser „kleine Schnickschnack“ gerade einfach nicht mehr ins Budget passt, auch wenn das von uns erwartet wird.

Versteh mich nicht falsch. Spenden und die Bereitschaft zu helfen finde ich unheimlich wichtig. Nächstenliebe und Miteinander sollte immer groß geschrieben werden und eine primäre Rolle spielen. Aber diese Erwartungshaltung an allen Ecken und Enden finde ich zum Kotzen. Ich bin nun mal keine wandelnde Geldbörse, die auf Kommando Geld in Spendenschlitzen verliert. Wir sind nicht diejenigen, die sich um jeden Preis hervortun und überall mitspielen müssen. Was nämlich oft vergessen wird, der Kleinkram summiert sich. Zu einer Summe, die man kaum bewältigen kann, wenn man allem gerecht werden möchte.

Ich bin vorn dabei, wenn es um körperlichen EInsatz geht, stehe gerne mit meinen Gedanken, meiner Zeit und meiner Körperkraft zur Verfügung. Auch backe ich, wie man sich denken kann, gerne Kuchen für Basare und kaufe die Stückchen dann einzeln zurück. Gebrechlichen Menschen helfe ich gern über die Straße. Ich habe immer ein offenes Ohr und bin oftmals da, wenn es irgendwo „brennt“. Auch bei Sachspenden bin ich gern dabei, sofern die Dinge, die verlangt werden, bei uns noch intakt vorhanden sind. Aber ich möchte auch wissen, wo es ankommt und dass es dort ankommt.

Und ich will mich nicht rechtfertigen müssen – weder vor Eltern noch vor Freunden oder Fremden -, warum ich keine 3 € in den Briefumschlag für die Lehrkraft stecke oder die Zusage zum 7. Kuchen im Monat verweigere. Ich will nicht, dass meine Kinder denken, sie müssen von ihrem Taschengeld etwas in die Opferkästchen stecken, weil die anderen Kinder dort ja auch Klimpergeld verstauen und man dies von ihnen erwartet, wenn die Mama schon nichts geben kann.

Wer nichts gibt, hat seine Gründe!

Ob es die Waschmaschine war, die ein riesiges Loch in die Haushaltskasse gerissen hat oder man in der Woche zuvor schon die ausrangierte Kinderkleidung woanders abgegeben hat oder ob man sich bei der Verwendung der Spende einfach nicht wohl fühlt – es geht kein Schwein etwas an.

Ich erwarte – ja, meine Erwartungen spielen auch eine Rolle -, dass diese Gründe akzeptiert werden. Dass man versteht, dass es eben Gründe gibt, die einen den Aufruf ignorieren lassen. Dass man aufhört, diese Erwartungshaltung und diese aufgezwungene Selbstverständlichkeit, mit der man Geld- und Sachspenden einfordert, umzusetzen.

Und wer weiß, vielleicht hat derjenige, der eben nicht das xte Mal die Geldbörse öffnet, schon an ganz anderer Stelle geholfen. Ohne materielle Leistung. Sondern mit Nächstenliebe und Aufmerksamkeit. Vielleicht ist das in manchen Situationen mehr wert als die Anhäufung der Spendenaufrufe vor Weihnachten. Denn, ehrlich, kannst du mir in den Kopf schauen, siehst, welche Ängste und Nöte mich plagen und von mir verlangen, dass ich geben MUSS, obwohl du nicht in meinen Schuhen steckst?

Weihnachten und die Adventszeit ist die Zeit der Nächstenliebe und Besinnlichkeit. Nicht die des Konsums und des Übertrumpfens, wer die lockerste Geldbörse hat. Finanzielle Spenden und Hilfen sollten immer freiwillig sein und nicht indirekt genötigt. Auch unsere Kinder können schon durch so viele Faktoren ausgegrenzt werden. Warum gibt man dann vor Weihnachten durch diese Erwartungshaltung an die Eltern noch mehr Nährboden, um die Schwächeren auszusortieren?

Gib, was du geben willst und kannst – solange es dir gut damit geht!

Deswegen mein Appell: Diese Erwartungshaltung, was wir Eltern alles geben müssen, erdrückt und setzt oftmals eine schwere (finanzielle) Last auf die Schultern von uns Eltern. Manchmal können wir einfach nicht mehr geben. Manchmal wollen wir auch einfach nicht. Und das ist vollkommen okay. Wir müssen und dürfen uns nicht selbst aufgeben. Aber auch der Druck auf unsere Kinder, immer mit dabei zu sein und immer etwas (Materielles) beizutragen, ist falsch und viel zu schwer.

Unsere Grenzen und ignorierten Aufrufe sollten stillschweigend hingenommen werden, statt noch einmal nachgetreten und darauf hingewiesen zu werden, dass da noch was fehlt. Vielleicht fehlt es mir auch. Und ich mag es nur nicht zugeben. Also lass mir meine Würde, stelle mich und mein Kind nicht bloß und akzeptiere, dass das letzte Hemd meinen Kindern gehört und nicht deinem Schenkungswunsch für die Betreuungspersonen unserer Kinder.

So antwortete ich heute, nachdem ich die Autorechnung in Händen hielt, auf die Frage, ob ich denn nun etwas für die Lehrkraft geben werde, mit „Tut mir leid, ich gebe nichts!“

8 Kommentare

  • Sandra

    Ich war damals in der Grundschule, für Religion sollten wir damals 10 Schilling für eine Spende für die Caritas mitnehmen. Ich hab es meinen Eltern gesagt, die sagten zu mir, ich soll am nächsten Tag der Lehrerin sagen: „Ich verdiene noch kein Geld, und meine Eltern bestimmen für was und für wen sie spenden.“ Ich hab es gesagt, ich war die einzige die nicht gespendet hat – alle anderen Kinder bekamen zur Belohnung Süßigkeiten. Ich hab es meiner Mama heulend erzählt was passiert ist – sie war am nächsten Tag in der SChule drinnen und hat sich diese REligionslehrerin mal gefasst und die Meinung gesagt – seit dem gab es keine Spendensammlungen mehr.

    In der Hauptschule (Österreich gibts nur Hauptschule und Gymnasium) hieß es mal bei einem Elternabend, ich glaub es war dann schon 2. Klasse das wieder so Bücher zum Lesen angeschafft werden. Natürlich müßten auch alle zahlen – die Bücher könnte man sich behalten. Meien Mama fragte, ob die Bücher im Unterricht gebraucht werden. Der Lehrer antwortete: Nein – das sind monatliche Zeitschriften und ein Buch im Jahr zum selstsständig lesen. Meine Mama sagte da auch . das sie für das kein Geld ausgeben würde, da es nicht für den unterricht relevant war – und aufeinmal schlossen sich auch viele andere Elternteile an. Wir hatten das Jahr davor ein paar der Hefte so bekommen und die lagen bei mir ungelesen herum – mich interessierte das einfach nicht – die GEschichten waren mir alle viel zu doof. Wir waren dann die einzige Klasse die es nciht hatte. DA frag ich mich auch da wird was aufgzwungen, was eigentlich nicht im Unterricht gebraucht wird – einfach um Geld zu scheffeln.

    Grüße Sandra

    • puddingklecks

      Ich glaube, dass man es oft gut meint, aber einfach übers Ziel hinaus schießt. Aber dazu genötigt werden, nimmt dem Sinn der Spende einfach den Charakter.
      Danke für deinen Kommentar, liebe Sandra

  • Nadine l.

    Ich stimme dir voll zu. Mich nervt es auch. Ich kann und will auch nicht immer. Und meine Tochter soll von ihrem Taschengeld was zusammen sparen, damit sie sich was schönes für sich kaufen kann. Sie wird von uns so erzogen dass sie begreift, dass man nicht auf jeder Hochzeit tanzen muss.

  • Maike

    Du sprichst mir aus der Seele. Bei uns war es im Sommer extrem.
    Kind 1 kam in die 3.klasse , lehrerwechsel stand an. Da die Lehrerin doch „so nett “ war, sollte jeder 10 Euro geben. Die Dame bekam einen wellnessgutschein. (Gehts noch?!)
    Wurde auch von den elternsprechern angerufen und weil wir nichts gegeben haben, wurde mir nicht bescheid gegeben, das die Eltern zum überreichen des Gutscheins alle anwesend waren . Naja, auf so was kann ich verzichten ?

    • puddingklecks

      Danke für deinen Kommentar. 🙂
      Da bin ich ganz bei dir. Erzwungen und aufgedrängt verfehlt es einfach den Sinn dahinter.
      Und manchmal kann man auch einfach nicht mehr geben, weil schon genug angefallen ist.

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