Irgendwann ist "morgen" zu spät. Wie mich der Unfalltod einer Schulfreundin wach rüttelte.
Life,  Gedankenwelt

Von der Seele gebloggt: Irgendwann ist „morgen“ zu spät!

Wir hatten gestern einen wundervollen Tag. Wir als Familie machten einen wirklich tollen Ausflug mit den Großeltern. Es wurde gelacht, gespielt, gestaunt und genossen. Morgens fuhren wir los zum botanischen Garten, denn das Schlüpfen der Schmetterlinge ist ein wundervolles Ereignis. Als die Kinder anschließend auf dem Spielplatz tobten, las ich nebenbei die Nachrichten, die mir aufs Handy gespült wurden. Von einem Motorradunfall auf der Autobahn war die Rede. Dass die Saison für derartige Unfälle schon so früh startet, machte mich ein wenig traurig, aber ich dachte mir nichts dabei.

Später, ich wartete im Zoo vor der Toilette auf meine Große, las ich von einer Fahrerin in meinem Alter auf dem Display des Handys und mir wurde mulmig. Die Gedanken schob ich aber schnell auf die Seite, denn wir wollten schließlich einen ausgelassenen Tag haben und derartige Ereignisse schlagen mir sehr sehr stark aufs Gemüt. Also bestaunten wir die vielen tollen Tiere und beschlossen, anschließend das weltbeste Eis zu essen. Schließlich hatte die Eisdiele schon geöffnet und die Temperaturen luden ja schon fast dazu ein.

Auf dem Heimweg wurde im Radio wieder dieser Unfall auf der Autobahn angesprochen. Wieder war von einer Motorradfahrerin in meinem Alter die Rede. Der Herzmann und ich, wir sprachen darüber, wie schrecklich das sein muss, sein Kind zu verlieren. Wie schlimm es sein muss, einfach mitten aus dem Leben gerissen zu werden, obwohl noch das halbe Leben mindestens bevorsteht. Es stimmte mich nachdenklich und traurig.

Dann saß ich abends auf dem Bett, sprach noch mit meiner Großen darüber, dass der Tag wirklich schön war, postete ein Bild zum perfekten Tag und dachte, nichts kann die Stimmung noch drücken.

Und dann kam eine Nachricht auf mein Handy. Nur ein Satz. Ein Satz, der mir den Boden unter den Füßen wegzog. Eine Schulfreundin schrieb.

Hast du das mit S. mitbekommen?

 „Meinst du die S.? War sie das etwa auf der Autobahn?“, fragte ich, nachdem ich den einen Satz immer und immer wieder gelesen hatte.

Meine Frage wurde bejaht.

S. ging mit uns zur Schule und war lange Zeit eine meiner engsten Freunde. Ich habe alle ihre Liebesdramen in der Jugend miterlebt, mit ihr die Nächte durchgetanzt und im Sommer den Badeweiher unsicher gemacht. Wir saßen so oft im Schulbus nebeneinander, lästerten über Lehrer und zogen ihren Zwillingsbruder auf. Sie tanzte auf meiner Hochzeit und strahlte nur so vor Lebensfreude. Egal was sie tat, sie tat es aus vollem Herzen. Immer.

Gestern verlor sie die Kontrolle über ihr Motorrad und starb. Mit 32. Fucking 32. Das ist doch kein Alter!

Wir hatten schon lange nicht mehr miteinander gesprochen. Weil es sich einfach nicht ergeben hatte. Weil ich es immer wieder vor mir her schob, mich zu melden. Und weil ich dachte, es sei ja noch genug Zeit, wir sind ja noch jung.

Aber irgendwann ist „morgen“ zu spät. Irgendwann gibt es kein „morgen“ mehr.

Noch bin ich zwischen Fassungslosigkeit, Sprachlosigkeit und Tränen. Es kam noch nicht wirklich an, dass sie weg ist. So ganz weg, nicht nur umgezogen. Dass es wohl kein Gespräch mehr geben wird, diese strahlenden Augen für immer geschlossen bleiben. Es kommt mir so unwirklich vor, so irreal.

Und zwischen all den Tränen suche ich stumm schwarze Kleidung, um ihr Lebwohl zu sagen und mich zu verabschieden.

Das, was ich aus diesem schrecklichen Erlebnis mitnehme, ist, dass wir leben sollten. Bewusst. Täglich. Und lieben. Nicht erst morgen, nicht erst später, sondern jetzt! Denn irgendwann ist „morgen“ zu spät!

Das Leben ist nicht gerecht. Nicht fair. Aber wir haben nur das eine. Lebt, liebt, genießt! Wer weiß, wie lange wir es haben!

 

15 Kommentare

  • Clara

    Es tut mir sehr Leid, was ihr zur Zeit durchleben müsst. Diese Art zu gehen ist eine der grausamsten. Ich habe so mit knapp 18 eine meiner engsten Freundinnen verloren. Noch heute frage ich mich, warum das sein musste. Doch sie lebt in unseren Herzen und in der Erinnerung weiter.

    • puddingklecks

      Liebe Clara,
      vielen lieben Dank für deinen Kommentar. Ich kann dir sehr gut nachempfinden. So sollte niemand gehen müssen. Du hast recht, sie leben in unseren Gedanken weiter.

      Liebe Grüße

  • Edith

    Liebe Julie,
    das tut mir so leid. Es ist schrecklich, liebe Freunde so unerwartet zu verlieren, sei es durch einen Motorradunfall, wie bei Deiner Freundin, oder durch Berg- und Fahrradunfälle und Selbstmord, wie bei meinen Freunden.
    Ich denk an Dich!
    Alles Liebe

    • puddingklecks

      Liebe Edith,
      vielen Dank für deine Worte! So vor der eigentlichen Zeit zu gehen, ist einfach nicht fair. Aber was ist schon wirklich fair…. 🙁
      Wir können diese lieben Menschen zumindest in unseren Herzen und Gedanken weiterleben lassen.

      Danke dir. <3

  • Manuela

    Mein herzliches Beileid. Es tut mir sehr leid!
    Mein Mann ist Rettungssanitäter, hatte an diesem Tag Dienst und war vor Ort an der Unfallstelle. So etwas schockt und schmerzt auch Menschen, die diesen verunglückten Menschen nicht kannten. Umso mehr muss man sich täglich bewusst werden, wie kostbar das Leben ist.
    Alles Gute und Liebe!

    • puddingklecks

      Oh nein! Ich mag mir wirklich nicht ausmalen, wie das sein muss, vor Ort zu sein. Ich habe sehr großen Respekt vor dem Beruf deines Mannes! Ehrlich!
      In solchen Situationen wird einem wieder bewusst, wie zerbrechlich das Leben ist.

      • Manuela J.

        Ja, da gebe ich Dir volkommen Recht. Mein Mann muss oft mit mir über Geschehenes und Gesehenes reden, damit er es ein wenig verarbeiten kann. Wir haben drei Kinder und man lebt wirklich dankbarer, aber dafür sind wir auch eher Helikoptereltern, da wir so viele Gefahren kennen und die Geschichten, wie sie ausgehen könnten. Aber so ist es, es hat alles Vor- und Nachteile. Auf alle Fälle ist es wichtig, zu versuchen das Leben bewusster zu leben und wirklich dankbar sein für jeden Tag! Alles Gute und Liebe für Dich/Euch! Liebe Grüße!

        • puddingklecks

          Ich stelle mir das unheimlich schwer vor und habe den größten Respekt davor. Mit diesem Hintergrundwissen agiert man sicher ganz anders, als wenn man so unbedarft ohne Vorbelastung erzieht. Das glaube ich dir.
          Danke für deine Worte, liebe Manuela

  • Rotter

    Furchtbar. So jung. Ich hasse Motorräder. Ich selbst hab liebe Menschen verloren. Beim Motorrad fahren. Und keiner von ihnen hat einen Fahrfehler gemacht, sondern andere Verkehrsteilnehmer haben sie aus dem Leben katapultiert. Darum hasse ich Motorräder. Ich weiss das ist subjektiv und vielleicht sogar irrational. Aber ich hasse sie vom tiefsten Grund meiner Seele. Es dauert seine Zeit bis du das verkraftest, ich denke nach über 10 Jahren noch immer an meine Freundin (21), die ihr leben noch vor sich hatte. Wie Ihr Leben wohl verlaufen wäre, ohne dieses Hobby. Wir wissen es nicht. Alles Liebe

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