Wie der katholische Kindergarten in den 90ern im Westen für Julie war und welche Erfahrungen sie ihren Kindern ersparen möchte, hat sie in diesem Blogbeitrag festgehalten.
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Erinnerungen an den Kindergarten und Auswirkungen auf heute

Wenn man sich an Dinge aus seiner Kindheit erinnert, sieht man sie meist verklärt und ein bisschen sehnt man sich diese unbedarfte Zeit zurück. So geht es zumindest mir.

Wenn ich an den Kindergarten denke, sehe ich mich in der zweiten Gruppe eines katholischen Kindergartens mit Puppen spielen oder meiner Lieblingskindergärtnerin (heute sagt man das ja nicht mehr) in der Kuschelecke sitzen und Bücher anschauen. Ich sehe mich im großen Garten des Kindergartens dem doofen Jungen, der immer mein Kleid am Rücken öffnete, den Eimer Sand über den Kopf kippen und am Gruppenwaschbecken mit der alten Zahnbürste die Zähne putzen.

Ich weiß im Nachhinein, meine Bezugsperson wurde aus dem Kindergartenteam geekelt, weil sie sich lieber mit den Kindern als den anderen Kindergärtnerinnen beschäftigt hat. Und ich weiß auch, dass ich es total doof fand, zu festen Zeiten still sitzen und essen zu müssen, was meine Mama mir in die Brotdose gepackt hat. Die Stuhlkreise, bei denen man mitmachen musste, oder sonst mit dem Stuhl in einem Eck sitzen, fand ich auch richtig doof. Also habe ich mitgemacht. Blieb mir ja nix anderes. Zumindest im Kindergarten habe ich funktioniert. Aus Angst vor den Konsequenzen? Weil ich wollte? Ich glaube, eher ersteres.

Meine Erinnerungen an den Kindergarten sind dennoch ein wenig verklärt.

Das, was mir die Kindergartenzeit wirklich getrübt hat, war eine Erzieherin mit ihrer Tochter. Dieses Mädchen brachte mich regelmäßig mit Gemeinheiten zum Weinen, doch mir wurde nicht geglaubt. Ein Erzieherkind macht das schließlich nicht.

Doch meine Mama holte mich jeden Mittag ab, denn Nachmittagsbetreuung gab es in unserem Ort nicht. Ich wurde weder zum Schlaf gezwungen, noch musste ich meine Brotzeit aufessen. Ich hatte einen tollen Freundeskreis und weiß den Namen meiner besten Kindergartenfreundin noch heute. Und auch wie stolz ich war, als ich mir meinen Kindergartenrucksack aussuchen durfte. Ich erinnere mich, wie unglaublich glücklich ich war, als ich diese furchtbar hässliche Froschkerze zum Geburtstag bekam und meine Mama am Muttertag auf dem kleinen Stühlchen saß, um von mir ihr Geschenk überreicht zu bekommen.

Heute, bei meinen Kindern, hinterfrage ich viel mehr, als es früher üblich war.

Die Erzieherin, dessen Kind ein „Unschuldslamm“ war, arbeitet noch heute in der Einrichtung. Und auch sonst hat sich an der Methodik und Umgangsform kaum etwas geändert.

Nach einigen unschönen Vorfällen nahm ich mein Kind aus der Einrichtung. Zu ihrem Schutz. Und unserem. Das Vorschuljahr verbrachte die Große in einem anderen Kindergarten. Mit liebevollen ErzieherInnen, mit passender kooperativer Kommunikation und mit Engagement, sowohl auf Eltern- als auch auf pädagogischer Seite.

Zum Glück leitet der Herzmann eine Kindertageseinrichtung und gibt unseren Kindern so die Möglichkeit, dort ihre sozialen Kontakte zu pflegen und in der Kindergartengemeinschaft zu wachsen. Die Prinzessin hat sich bis zu ihrer Einschulung so sehr wohlgefühlt, dass sie am liebsten alle Ferien dort verbringen möchte. Auch der Zwerg ist dort gern im Kindergarten (obwohl er jeden Morgen sagt, dass er da nicht hin will) und beschwert sich, wenn er „zu früh“ heim soll.

Der Austausch mit den ErzieherInnen vom Zwerg funktioniert super. Und ich weiß ihn in einer liebevollen und bedürfnisberücksichtigenden Einrichtung aufgehoben. Mein Kind wird ernst genommen, ich werde ernst genommen. Anregungen, Wünsche, aber auch Kritik werden angenommen und reflektiert diskutiert. Ob es daran liegt, dass ich „die Frau von“ bin? Vielleicht zum Teil. Vielleicht aber auch, weil dort unheimlich engagierte Menschen sitzen, denen die Kinder am Herzen liegen und nicht nur das sichere Einkommen oder die geringstmögliche Anstrengung, um den Tag herumzukriegen.

Es hat sich einiges verändert – zum Glück!

Keines meiner Kinder muss mit dem Gesicht zur Wand auf einem Stuhl sitzen, weil es das doofe Lied nicht mitsingen will. Zum Glück gibt es diese ekelhaften Sammelzahnbecher mit Zahnbürsten auch nicht mehr, wodurch die Kinder mit einer Bürste, die womöglich gar nicht ihre ist, gezwungen sind, ihre Zähne zu schrubben. Heute ist es nicht mehr okay, wenn Tyler die Anne haut, „weil Jungs eben so sind“. Und auch scheint am nächsten Tag nicht die Sonne, wenn aufgegessen wurde.

Ich ertappe mich immer wieder, dass ich total genervt bin, wenn eines meiner Kinder nicht „funktioniert“, wie ich mir das einbilde – ob es Sinn macht oder nicht. Dass ich mich oft selbst ausbremsen muss, um die Verhaltensweisen, die mich als Kind bedrückt und erniedrigt haben, nicht – auch in abgeschwächter Form – auf meine Kinder zu übertragen, denn es hat ja irgendwann funktioniert. Irgendwann habe ich das doofe Lied mitgesungen. Ich trug eben kein Kleid mehr, das am Rücken einen Reißverschluss hatte und ich verlangte nicht mehr nach Aufmerksamkeiten in Form von Vorlesen oder gemeinsamem Basteln.

Es fällt mir schwer, diese Muster zu durchbrechen. Auch wenn mir bewusst ist, dass sie falsch sind.

So verklärt ich meine Kindergartenzeit sehe, obwohl da einiges im Argen lag, so froh bin ich aber auch, dass es heute anders ist. Ich bin dankbar für die ErzieherInnen meiner Kinder. Dankbar für die Energie, die sie aufbringen, die Liebe, die sie den Kindern schenken und das Zuhause auf Zeit, das sie meinen Kindern geben.

Früher war alles besser? Definitiv nicht!

Und doch bin ich froh, in einem Halbtagskindergarten untergekommen zu sein und dass ich mittags heim durfte. Denn bei Andrea von Runzelfüßchen, die diese nachdenkliche Blogparade ins Leben gerufen hat, im DDR-Kindergarten war alles nochmal eine Spur härter und ich mag mir nicht ausmalen, was solch Verhalten mit einer Kinderseele anrichten kann.

Wie ist deine Erinnerung an den Kindergarten? Denkst du gern daran zurück?

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