Die verschwundenen Dörfer im Böhmerwald mit Kindern entdecken
Wie du vielleicht weißt, waren wir an Pfingsten im Bayerischen Wald und haben dort wundervolle Tage verbracht. Ein Ausflugsziel, das ich mir schon zuvor daheim ausgesucht hatte, waren die verschwundenen Dörfer im böhmischen Wald. Warum ich unbedingt über die Grenze und diese Ruinen besichtigen wollte? Vielleicht war das ein bisschen Nostalgie, denn mein Opa war ein vertriebener Sudetendeutscher. Und vielleicht war es einfach die Faszination der Geschichte. Jedenfalls wurde die Wanderung zu den Überresten dieser idyllischer Dörfer unser erstes Ausflugsziel.
Im Waldmünchener Ortsteil Untergrafenried begann unser Weg.
Wenige hundert Meter vor der Grenze parkten wir unser Auto am Ende der Straße, nahmen unsere Rucksäcke und liefen, den Kinderwagen vor uns herschiebend, los.
Die Wege bestanden großteils aus Kies, zum Teil waren sie am Rand befestigt für die wenigen Autos, die den Weg in seltenen Fällen passieren müssen. Rechts und links von uns gab es wilde Natur, grasende Kühe und Stille. Kein Autogeräusch, keine Sägen, kein Lärm. Nur Vogelgezwitscher, ab und an ein „Muuuuh“ und das Lachen unserer Kinder, während sie fleißig an den Bäumen die Markierung „Weiß-Grün-Weiß“ suchten.
Nach einer Weile kamen wir im ersten Dorf, dem ehemaligen Grafenried, an. Die Ruinen erinnerten in erster Linie an die Burgruinen, die man sonst aus anderen, weiter zurück gelegenen, Jahrhunderten kennt. Viele Mauern waren nur noch im Ansatz zu erkennen, Kellerräume eingestürzt, hinterlassene Gegenstände geplündert und zerstört.
An beinahe jedem Haus gab es eine Tafel, die die Geschichte der Bewohner erzählte. Zum Teil konnten wir dadurch sogar erfahren, wo die Menschen, die dort alles verloren hatten, sich ein neues Zuhause aufbauen konnten.
Die Kinder liefen mutig durch die Ruinen, rätselten, wo die Küche war, wozu der nächste Raum diente und wie das wohl war, so ganz ohne Waschmaschine und Fernseher.
Nach einer Weile liefen wir weiter, denn wir wollten mehr dieser Dörfer entdecken. Nach ein paar hundert Metern wurde der Weg breiter, der Wald lichter und wir befanden uns im Kern Grafenrieds. Dort hatte ursprünglich noch eine Kirche gestanden, die jedoch, obwohl sie unter Denkmalschutz stand, in den 1970ern vernichtet wurde. Mithilfe eines ehemaligen Dorfbewohners und tschechischer Historiker wurden die Überreste zu Beginn des jetzigen Jahrzehnts freigelegt und restauriert.
Hinter der Kirche konnte man durch einen schmalen Pfad zum ehemaligen Friedhof gelangen. Dieser schien auf den ersten Blick ziemlich verwildert. Doch während wir schweigend die Grabsteine lasen und bedrückt den Zustand dieses Orts betrachteten, fiel uns auf, dass dieser Friedhof nicht so vergessen war, wie wir dachten. Zwischen als den zerbrochenen Steinen und mit der Sense gekürzten Blumen standen frische Grabsteine. Grabsteine von ehemaligen Dorfbewohnern, die ihre letzte Ruhe in ihrer Heimat finden wollten.
Überwältigt von den vielen Eindrücken und bedrückt von den Geschichten hinter den verschwundenen Häusern machten wir uns auf den Rückweg.
Während wir also zurück liefen, redeten wir. Die Kinder stellten Fragen, die wir versuchten, so gut wie möglich zu beantworten.
„Mama, warum sind manche Menschen böse? Warum nehmen sie anderen ihr Zuhause weg?“
„Wie konnten die Menschen ohne Supermarkt einkaufen? Was haben die gemacht, wenn denen langweilig war?“
„Die haben aber gar nicht fröhlich ausgeschaut auf dem Hochzeitsbild. Aber da freut man sich doch eigentlich oder?“
„Gibt es Opas Haus noch? Und was ist mit seiner Mama passiert?“
Als wir wieder am Auto ankamen, waren die meisten Fragen gestillt und die Kinder müde vom entdecken, erforschen und erfahren. Die Große jedoch, lässt bis heute immer einmal wieder eine Frage zu den Dörfern und ihrem Uropa fallen, es interessiert sie, was damals passiert ist. Für die kleineren ist dieses Erlebnis einfach noch zu abstrakt.
Für uns hat sich der Ausflug gelohnt. Symbolisch waren wir so meinem Opa ein bisschen näher. Wir haben unheimlich viel über Einzelschicksale und einen kleinen Teil Böhmens erfahren und nebenbei den Kindern vermittelt, wie schlecht Krieg ist. Ob im Kleinen, zwischen zwei Menschen, oder zwischen verschiedenen Ländern. Immer.
Was ist nötig für die Besichtigung der verschwundenen Dörfer?
Feste Schuhe sind bei der Besichtigung der Dörfer unbedingt nötig. Denn man hat kaum befestigte Wege und auch durch die Ruinen selbst sind Sandalen oder Flipflops gänzlich ungeeignet. Außerdem ist Wegproviant nicht schlecht, denn unterwegs gibt es nichts als Natur und Ruinen. Geld darf im Auto bleiben, denn es gibt dort nichts, was man kaufen könnte. Und die Kamera macht auch schon tolle Erinnerungen. Der Kinderwagen, sofern er auf dem Hauptweg bleibt, bietet zumindest kleinen Kindern eine lustige und holprige Fahrt hin und zurück.
Außerdem sollte man unbedingt seinen Ausweis in der Tasche haben, denn Grafenried und die anderen Orte liegen hinter der Grenze auf tschechischem Grund.
Fazit
Wer gerne wandert und sich für das Leben um den 2. Weltkrieg interessiert, ist hier genau richtig. Die verschwundenen Dörfer lassen sich, wenn man gut zu Fuß ist, bei jedem Wetter begehen und besichtigen. Für die Kinder sind die Ruinen unheimlich interessant, da sie ihre eigene Geschichte erzählen. Der Wissensdurst kann durch die vielen Tafeln mit Informationen zu den Gebäuden und deren Bewohnern gestillt werden. Und gleichzeitig führen diese Orte vor Augen, was so nicht noch einmal passieren darf.
Wenn du also einmal in der Nähe bist, nutze die Zeit und schlendere durch Grafenried und die anderen Überreste vergangener Zeit. Es lohnt sich.
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