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Urlaubsstart in der Notaufnahme // Sorgenkind

Man kann noch so viel planen und organisieren, es kommt immer anders. Das durften wir jetzt, einen Tag vor unserem geplanten Urlaub, selbst wieder einmal miterleben. Und ehrlich, manche Dinge muss man nicht erlebt haben.

Nächtliche Besucher

Gegen 11 Uhr nachts steht die Große vor unserem Bett und wimmert, sie kann nicht einschlafen. Das kommt in letzter Zeit öfter vor und ich denke mir nichts dabei. Als ich sie frage, ob sie ihre Decke und das Kissen schnappen und bei ihrer Schwester schlafen möchte, nickt sie dankbar und huscht wieder nach oben.
Somit, so denken wir jedenfalls, sind die nächtlichen „Ruhestörungen“ für diese Nacht erledigt.

Gegen halb 3 Uhr morgens steht die Große wieder wimmernd vor meinem Bett, die Tränen laufen ihr über die Wange und sie fragt, ob sie zu mir unter die Decke huschen darf. Natürlich darf sie. Als sie sich gerade einkuschelt, frage ich sie, warum sie denn nicht schlafen kann. „Weißt du, Mama, ich hab wieder so ganz schlimme Bauchschmerzen. Die halten mich vom Schlafen ab.“ Das hatten wir die letzten Tage auch öfter, aber niemals dramatisch. Also rate ich ihr, die Augen zu schließen und fange an, ihren Bauch mit Kreisbewegungen zu massieren.
„Mama, eine Wärmflasche wär toll. Die hat mir die letzten Male so gut geholfen.“ Schlaftrunken laufe ich zur Küche, wärme Wasser auf und fülle es ab. „Brauchst du noch was?“, flüstere ich ihr zu. Sie verneint und schließt die Augen.

Wach werde ich dann um kurz vor vier. Das Schluchzen neben mir wird immer lauter, bis ich begreife, die Große weint, weil sie Schmerzen hat. Aufgeschreckt wird der Herzmann wachgerüttelt. „Fahr bitte mit ihr ins Krankenhaus“, sage ich „damit man abklären kann, dass das wirklich nicht der Blinddarm ist.“ Er quält sich aus dem Bett, während das Mäuschen langsam zur Bettkante rutscht und leicht gekrümmt zur Haustür trottet.

Auf ins Krankenhaus

Während die beiden zu einer unmenschlichen Zeit in der Notaufnahme sitzen, bin ich total wuselig, panisch und einfach durch den Wind. Ich mag mir gar nicht ausmalen, wie es der Großen geht. Zwischendurch bekomme ich per Kurznachricht immer wieder Infos, wie „Wir bekommen jetzt ein Zimmer.“ und „Sie wollen auf gut Glück operieren.“. Mir wird immer mulmiger und der Akku des Handys vom Mann immer weniger.

Das etwas nicht stimmt, merken auch die „kleinen“ drei, als sie um halb 6 aufstehen und nach Frühstück fragen. Ich speise sie ab, parke sie absolut unpädagogisch vor dem Fernseher und gönne mir eine kalte Dusche. Das brauche ich jetzt. Die Gedanken rattern. „Bitte keine OP!“, flüstere ich schallplattenartig vor mich hin, während ich mir die Haare abtrockne.

Als ich anschließend mit dem Herzmann telefoniere, erklärt er mir, dass weder im Blut noch beim Ultraschall oder Abtasten irgendwas gefunden wurde. Auf Streptokokken, weil auch ihr Hals brannte und sie Probleme beim Schlucken hatte, hat keiner untersucht. Es steht auch Laktoseintoleranz im Raum. Aber die Ärzte reden von einer OP, um nachzuschauen und davon, den Blinddarm einfach mal vorsorgemäßig rauszunehmen. Seine Stimme klingt ängstlich und zittrig, im Hintergrund höre ich das leise Schnarchen der Großen. Endlich schläft sie. Und der Bauch tut auch nicht mehr weh, sagt der Herzmann.

Mir wird das alles zuviel. Kurzerhand rufe ich meinen Papa an, ob er einspringen und die drei kleinen Mäuse abnehmen kann. Ich muss SOFORT zu meinem Kind. Und den Ärzten den Kopf waschen. Man entnimmt doch auch keine Niere, nur weil es beim Wasserlassen brennt. Oder ein Hirn, weil man Migräne hat. Ohne jegliche Anzeichen. Der Arzt jedenfalls müsse jetzt noch zwei Operationen durchführen und dann sehe man weiter. Sie seien jedenfalls keine Kinderärzte, sondern Chirurgen, da schaut man halt leicht mal nach.

Treffen auf dem Stationsflur

Angekommen im Krankenhaus, finde ich einen dösenden Papa und eine aufgedrehte Große vor. Die Nadel im Arm, hungrig und freudestrahlend sitzt sie da. „Mama? Ich will nicht hier bleiben. Ich will heim! Heute! Ich muss doch schließlich Koffer packen. Oder fahrt ihr ohne mich?“ Ich versichere ihr, dass wir nirgendwo ohne sie hingehen und drücke sie erst einmal ganz fest. „Hast du noch Bauchweh?“ Nein, das hat sie nicht mehr. Ihr geht es blendend. Nur der Hunger, der treibt sie in den Wahnsinn. Nach kurzer Zeit schnappe ich mir meinen Mann und wir reden vor der Tür, wie wir weiter verfahren wollen, denn eine Operation für heiße Luft ist dennoch ein Eingriff, der Nebenwirkungen birgt. Wir wollen das nicht. Außerdem hat die Maus kein bisschen Bauchweh mehr. Und wenn doch alle Stricke reißen und neue Erkenntnisse kommen, reisen die Große und ich mit dem Zug eben nach. Gesundheit geht vor!

Der Herzmann beschließt, beim nächsten Zimmerbesuch des Arztes klar zu äußern, dass er und die Große gehen möchten. Nach Hause. Ohne Nadel oder möglicherweise unnötige frische OP-Narben. Dem Kind geht es gut und sie jammert, dass sie sofort nach Hause mag. Aber erst einmal muss ich nach Hause. Da warten drei andere kleine Menschen auf mich. Und ein Opa, der diese allein kaum bändigen kann. Als ich gehen möchte, schluchzt die Große. „Bitte bleib, Mama!“ Doch ich muss heim, es zerreißt mir das Herz. Der Papa lenkt sie ab und kann solche Dinge einfach diplomatischer und freundlicher regeln.

Denn, ganz ehrlich, wenn es um meine Kinder geht, hinterfrage ich alles und werde zur Löwin. Diese harsche Art bringt nur in diesem Fall nichts und soll der Maus ja auch das Krankenhaus nicht als „Schreckensanstalt“ in Erinnerung bleiben, sondern als ein Ort, an dem man sich Sorgen um sie macht und ihre Bedüfnisse ernst nimmt.

Wieder daheim, es ist mittlerweile 11 Uhr, erzähle ich meinem Papa, was die beiden „Insassen“ mir gesagt haben. Mir ist immer noch mulmig, aber die Panik ist weg. Es ist alles gut. Kein Blinddarm, keine Operation, kein weinendes Kind. Beruhigt fährt er wieder heim und die Wusels verlangen nach Mittagessen, Bespaßung und Nähe. Besonders die Prinzessin trifft es arg, dass ihre Schwester 10 Kilometer entfernt von ihr mit Infusionsnadel in einem „Quietschbett mit der hässlichen Bettwäsche“ liegt und sie fragt immer wieder, wann die Große denn wieder da ist.

Ablenkung tut Not

Um uns die Zeit zu vertreiben, gibt es, erneut wenig lobenswert, die Flimmerkiste. Das heiß ersehnte Sonntagsmärchen läuft. Und ich kann kurz durchatmen, den Frosch ins Bett bringen und fange an, die Koffer zu packen. Alleine. Nicht so, wie wir es geplant hatten. Ein bisschen überfordert es mich auch, denn mein Organisationstalent beschränkt sich auf abertausende Listen, reicht aber nicht dafür aus, die Dinge auf den Listen auch sinnvoll zu verstauen.

Und dann kommt eine getippte Nachricht meiner Maus auf mein Handy. Angehängt ist eine Nachricht, dass sie für ihre mühevoll getippten 10 Wörter die gleiche Anzahl an Minuten brauchte. Um es uns leichter zu machen und sie ein bisschen abzulenken, schicken wir Voicemails hin und her. Irgendwie lockert das die ganze Situation und erleichtert es mir, hier alleine mit den Vorbereitungen umzugehen.

Um Punkt 12 bekomme ich wieder eine Nachricht: „Wir kommen heim. Wurden entlassen.“ Mir fällt ein Stein vom Herzen. Ach was, ein Fels. Kurze Zeit später betreten zwei übermüdete und glückliche Menschen das Haus. Die Große erzählt, wie tapfer sie war, als sie gepiekst wurde. Und dass sie mindestens genauso tapfer war, als man ihr die Nadel zog. Natürlich wird auch das coole Pflaster bewundert, das die Einstichstelle überdeckt.

Gleich darauf sitzen zwei hungrige Mäuler am Esstisch, schnabulieren die Reste des Käsekuchens vom Vortag, knabbern an Salzstangen und vernichten das vegetarische Chili mit dunkler Schokolade. Während der Zwerg nun auch eingeschlafen ist, weil die Nacht um halb 6 eben doch zu früh beendet wurde und die Prinzessin noch immer Schneeweißchen und Rosenrot  genießt, schaue ich dem Großkind beim Essen zu. Faszinierend, was alles in den kleinen Mensch passt.

„Und wie war es jetzt in der Notaufnahme und im Krankenhaus?“, will ich wissen. „Eigentlich ganz cool, Mama. Aber sooo schnell mag ich da nicht mehr hin. Eigentlich nie nie wieder!“ „Ach Maus, ich wünsche es dir. Von Herzen!“

Und so sitzen wir da und schweigen. Ein angenehmes wohliges Schweigen. Jetzt, da wir alle wieder zusammen sind, kann es ja wieder nach Plan verlaufen.

Nach Plan? Nein, die Koffer stehen abends noch immer unfertig auf dem Wohnzimmertisch, der Wohnraum sieht aus, als hätte ein Tornado – alternativ eine Horde Kinder – darin gewütet und die Mäuse toben überdreht durch die Zimmer. Nein, planen kann man als Großfamilie wirklich nicht. Muss man auch nicht immer, denn es kommt doch immer so, wie es kommen muss. Oder?

Liebe Grüße, die Julie

 

2 Kommentare

    • puddingklecks

      Danke dir. 🙂 Wir vermuten eine Laktoseunverträglichkeit. Das lassen wir jetzt erstmal weg und schauen, ob es etwas bringt. Heute Nacht hatte sie keinerlei Beschwerden und gerade kann sie schon wieder ihre Geschwister ärgern.

      Ansonsten werden wir mal beim Allergologen auseinandersetzen, um dem auf den Grund zu gehen.

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Geht in Ordnung.