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Ich will aber nicht! // Vom Teilen und Besitzen

Neulich hatte ich vor dem Discounter meiner Wahl eine Situation miterlebt, die mich einfach nur traurig und gleichzeitig wütend gemacht hat. Dort stand ein Vater vor dem Fahrradanhänger, in dem ein kleines Mädchen saß. Er baute sich vor dem armen Ding auf und fing an zu wettern, wie unverschämt er sie fand. Unverschämt und enttäuschend, dass das Kind den Schokoriegel, den es sich zuvor im Laden aussuchen durfte, nicht mit ihm teilen wollte.

Aber muss man immer teilen?

Teilst du deinen frisch gebrühten und in die tolle Tasse eingefüllten Morgenkaffee? Wenn du zum Geburtstag einen Gutschein bekommst, gibst du ihn selbstlos im nächsten Augenblick an den Schenker zurück? Wenn auch nur einen Teil davon? Und wenn du dir die tollen Schuhe endlich leisten konntest, leihst du sie direkt der Freundin mit gleichem Geschmack? Würdest du auf die Idee kommen, einen Teil deines Lohns wieder an deinen Arbeitgeber zurück zu überweisen?

Muss ein Kind das frisch geschenkte Sandspielzeug abtreten, nur weil ein anderes Kind es gerade haben möchte? Soll es auf sein Geschenk verzichten, nur weil der Schenker zu knausrig war, sich selbst das gleiche zu gönnen? Oder soll es sich zwischen den zwei Lieblingskuscheltieren entscheiden, nur weil das Geschwisterkind eines davon selbst haben will?

Ja, die Beispiele sind vielleicht zum Teil weit hergeholt. Aber ich denke, du weißt, worauf ich hinaus will.

Meins ist meins!

Ehrlich, es gibt Dinge, die mag ich nicht teilen. Wenn ich mir einen Herzenswunsch erfülle, dann ist das meiner. Bei kleinen Kindern ist das eben mal ein Schokoriegel oder das Steckerleis. Es ist übrigens auch meine Lieblingskaffeetasse, die ich äußerst ungern teile. Und an mein Handy lasse ich ungefragt auch niemanden und reagiere ziemlich, nun ja, angesäuert, wenn es doch jemand macht. Nicht, weil ich geizig bin, sondern weil es meins ist. Ein bisschen Privatsphäre, ein bisschen das Gefühl des Glücks – ja, das kann auch eine doofe Kaffeetasse (besonders, wenn sie gefüllt ist)- auslösen.

Aber gleichzeitig frage ich meinen Mann auch, ob ich sein Handy benutzen darf, wenn ich meines vergessen habe. Und bevor ich seinen Schokoladenvorrat plündere, hole ich mir auch sein OK. Das hat nichts mit übertriebener Höflichkeit zu tun, sondern mit Respekt und der Achtung seines Eigentums. Und da ist es mir übrigens wurscht, ob er – was auch immer – geschenkt bekommen oder sich selbst gekauft hat. Es gehört nicht mir.

Ja, ich frage auch meine Kinder – sogar den Kleinsten-, ob ich abbeißen darf, wenn das Melonenstück in der Hand mich anlacht. Wenn sie mit „ja“ antworten, freue ich mich. Wenn sie verneinen, habe ich das zu akzeptieren. Ohne Diskussion. Ich würde nie auf die Idee kommen, vom gerade geschenkten Schokoriegel einen Teil einzufordern. Was macht das denn mit dem Kind?

Werden Kinder, die nicht teilen, zu verzogenen Gören?

Nein, definitiv nicht. Ich glaube, dass Kinder genauso zu sozialen Wesen heranwachsen. Ich bin mir sogar ziemlich sicher! Nur reagieren Kinder eben impulsiv. Aber ich kann nicht erwarten, dass das Kind freudestrahlend teilt, wenn vor dem Kauf des Riegels das anschließende Teilen nicht thematisiert wurde. Dafür muss ich zuvor die Grundlage schaffen, das Kind darauf vorbereiten und nicht vor vollendete Tatsachen stellen.

Und ich habe bisher noch kein Kind erlebt, wirklich kein einziges, das bockig im Anschluss reagiert hat, wenn ich im Vorfeld klar kommuniziert habe, wenn wir alle gemeinsam teilen, können wir die Packung Kekse mitnehmen.

Außerdem, wenn ich meinem Kind die Wahl lasse und frage, ob ich etwas von seinem Riegel abhaben kann, muss ich mit der Antwort – egal wie sie ausfällt – leben.

Ich gehe sogar so weit, dass ich denke, wie unheimlich wichtig es ist, dass Kinder sich diese Natürlichkeit, mit der sie Dinge verneinen, die sie nicht möchten, beibehalten. Man stärkt Kinder, indem man ihre Entscheidungen akzeptiert und respektiert. Aber was macht es aus einem Kind, wenn man es runterputzt, weil es sich anders als erwartet und erwünscht verhält? Man macht sie auf Dauer klein und zerbrechlich, wenn man sie dafür, dass sie Stellung beziehen, niedermacht.

Wir sind die Vorbilder!

Wir sind in den ersten Lebensjahren die Personen, an denen sich diese kleinen Lebewesen orientieren. Unsere Verhaltensweisen – egal ob positiv oder negativ – werden übernommen. Und das viel mehr als die Worte, die wir sagen. Die Taten werden verinnerlicht und angenommen.

Ich habe zum Beispiel noch nie ein großes Tamtam um genau dieses Thema gemacht. Aber wenn ich zum Beispiel aß, bot ich meiner Großen immer von meinem Teller an. Und wenn ich schrieb, legte ich ihr immer direkt auch ein Blatt Papier und Stifte daneben. Sie erlebte aber auch mit, dass ich den Herzmann fragte, bevor ich sein Kuchenstück probierte oder sein Auto fuhr. Heute bringt sie wie selbstverständlich ihren Geschwistern einen Keks mit, wenn sie sich welche aus der Schublade stibitzt – nachdem sie gefragt hat. Und bei der Prinzessin läuft es nicht anders.

Bei den Jungs bin ich noch ein wenig dahinter, denn ihre Frustrationstoleranz ist noch nicht sonderlich hoch, wenn sie etwas nicht bekommen. Doch es wird besser. Und es braucht Zeit. Zeit, Liebe und Verständnis dafür, dass man es doof findet, wenn die Schwester gerade nicht den schwarzen Faserstift hergeben möchte oder der Bagger gerade mit dem Bruder den Sandkasten erobert.

Respekt vor fremdem Eigentum

Um auf die Ausgangssituation zurückzukommen: Ja, auch wenn der Schokoriegel von Papas Geld bezahlt wurde, er war das Geschenk an dieses kleine eingeschüchterte Mädchen im Fahrradanhänger. Doch er wurde ihr versprochen, er wurde ihr überreicht und er gehörte ihr. Nicht dem Papa, nicht mehr dem Laden, nicht dem heiligen Bimbam. Nur diesem kleinen Mädchen.

Hier herrscht ganz klar: Geschenkt ist geschenkt! Und ehrlich, ich finde das gut so. Sonst könnte man bei jeder Situation, in der das Kind sich nicht „passend“ verhält, das Geschenk wieder entziehen, um es zu brechen und das gewünschte Verhalten hervorzurufen. Was man oft vergisst, ist, egal wie klein dieser Mensch ist, es ist ein Mensch. Er muss nicht geformt werden nach irgendwelchen Rollenbildern, die sich in Windeseile eh ständig ändern.

Du würdest sicher auch nie auf die Idee kommen, von deinem Partner, deinen Eltern oder Bekannten den Salzstreuer zurückzufordern, den du kurz zuvor geschenkt hast, weil ihr verschiedener Meinung seid oder? Du würdest bestimmt auch nicht auf die Idee kommen, deine Freundin in Grund und Boden zu stampfen, weil sie dir vom Parfum, das du ihr feierlich überreicht hast, kein kleines Fläschchen abzapft, weil du es nun unbedingt auch willst. Und ich bin mir sicher, du würdest deinem Arbeitgeber aber ordentlich aufs Dach steigen, wenn er nach der Auszahlung des Lohns wieder ein Drittel einfordern würde. Sehr sicher sogar!

Warum also tut man so etwas seinem Kind an? Warum also wahrt man nicht dessen Grenzen und Haltung? Solange niemand in Gefahr ist oder bewusst verletzt wird, warum macht man da so ein Fass auf und schüchtert ein so viel schwächeres Menschlein ein?

Vielleicht hat dieser Vater nicht nachgedacht. Vielleicht war er zuvor schon gereizt. Aber gerade wir Erwachsenen sollten uns so im Griff haben, dass wir über solchen Lappalien stehen. Denn wir sind Vorbilder, Schutzpersonen, Vertraute, Heimat. Und mein Kind soll keine Angst haben, es muss von allem, das es bekommt, etwas abtreten, weil ich zu knausrig bin, diese Kleinigkeiten, die ich ihm gönne, mir selbst nicht zu holen. Ich möchte, dass sich mein Kind uneingeschränkt freuen kann, wenn ich ihm eine Kleinigkeit überreiche. Dass es freiwillig von sich aus teilt – ohne Zwang. Und dass es weiß, sein Eigentum, seine Privatsphäre und seine Meinung werden respektiert und akzeptiert.

*****

Wie siehst du das? Und wie handhabst du das? Über Kommentare und Anregungen freue ich mich sehr!

Herzlichst, die Julie

 

Möchtest du wissen, wie meine Gedankenwelt sonst aussieht? Und weißt du, wie das Leben mit meinen Kindern ist? Oder brauchst du Inspirationen für die nächsten Kindergeburtstage?

4 Kommentare

  • Franziska

    Liebe Julie,
    ich sehe das ganz ähnlich. Oft haben Erwachsene das Gefühl, das was sie den Kindern „schenken“ oder kaufen gehört eigentlich noch ihnen, schließlich haben sie es auch bezahlt.
    Unsere große Tochter weiß, dass sie ihr Spielzeug nicht zwingend teilen muss. Sie muss aber auch akzeptieren, wenn andere Kinder nicht teilen wollen. Dieser zweite Teil gehört für mich dazu. Wenn ich ihr etwas kaufe und davon gerne kosten möchte sage ich ihr das. Oft sagt sie Nein und ich akzeptiere das. Gleichwohl teile ich auch nicht alles mit ihr und das findest sie (meistens) in Ordnung.
    Es ist wirklich schade, wenn den Kindern dann, wie bei dem von dir beschriebenen Vater, ein schlechtes Gewissen eingeredet wird.
    Liebe Grüße,
    Franziska

    • puddingklecks

      Liebe Franziska,
      jetzt nach dem Urlaub komme ich dazu, dir zu antworten. Entschuldige bitte, dass es etwas gedauert hat. Es ist schön zu wissen, dass ich mit diesem Thema nicht allein dastehe. Was mir gehört, gehört nunmal mir. Und umgekehrt.
      Herzliche Grüße

  • Jessica

    Meine Kinder müssen ihr Eigentum nicht teilen, auch keine Süßigkeiten. Aus obigen Gründen. Wenn mein Kind sich im Supermarkt etwas zum Naschen aussuchen darf, bitte ich ihn auch etwas für seinen Bruder zuhause auszusuchen. So hat jeder seins. Ich habe mir als Kind von meinem Taschengeld einmal im Monat meine Lieblingssüßigkeit ausgesucht. Die wollte ich gern ganz alleine essen, aber jedes Mal wurde ich gezwungen mit meiner Schwester zu teilen. Und da man 5 Riegel durch 2 so schlecht teilen kann, müsste ich den übrigen 5.Riegel an meine Mutter abtreten. Das wurde vorausgesetzt, Widerworte wurden mit einem schlechten Gewissen bestraft und teilweise sogar Ausgrenzung. Ich empfand das als ungerecht.
    Meine Kinder haben ein Recht auf eigenen Besitz genauso wie jeder andere Mensch.
    Danke für deinen tollen Text.

    • Julie

      Das Erlebnis aus deiner Kindheit finde ich ganz furchtbar. Vor allem tritt doch ein Erwachsener Mensch auch nicht die Hälfte seines Gehalts an den Partner/das Kind/ die Oma ab. Dass das vorausgesetzt wurde, stimmt mich traurig. Umso besser, dass du es anders handhabst und deine Schlüsse daraus gezogen hast.
      Herzliche Grüße

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