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Geh deinen Weg, ich reiche dir die Hand

Ich habe vorhin in einem Mütterforum einen Thread entdeckt und fand das Thema vom Titel her interessant. Was ich aber darin zu lesen bekam, fand ich schockierend, alamierend und einfach nur krass. Jetzt sitze ich hier und frage mich, was Eltern dazu antreibt, Kinder in ein Schema zu pressen, einen Lebensweg vorzugeben, mit dem sie absolut unglücklich sind.

Aber von vorn…

Im Wesentlichen ging es darum, dass das Mäuschen sich mit der von den Eltern erwünschten Schulart so dermaßen schwer tat, dass es schon seit langem in den Hauptfächern Förderbedarf hatte. Es wurde ganztags fremdbetreut. Nicht, weil die Eltern darauf angewiesen waren, sondern weil das Mäuschen „schwierig“ war, es hatte nämlich seinen eigenen Kopf.

Und nun sollte die nächste Nachhilfe zu den schon bestehenden Förderungen organisiert werden, weil die Leistungen des Kindes noch weiter sanken. Andere Schularten als das Gymnasium kamen nicht infrage, denn das würde nicht ins äußere Erscheinungsbild passen.

Empathie und Mutterschaft

Nun saß ich da und habe gerätselt. Ich habe überlegt, wie ich reagieren würde, was ich mir wünschen würde für mein Kind. Noch sind wir nicht so weit, dass eines unserer Kinder auf eine weiterführende Schule geht. Doch mit dem kommenden Schuljahr fängt das Buhlen um die besten Schulnoten auch bei uns an, die dritte Klasse beginnt für die Große.

Aber würden wir wirklich wollen, dass unser Kind um jeden Preis aufs Gymnasium geht? Wollen wir ernsthaft, dass sich unser Kind mindestens die kommenden 9 Jahre, denn hier wird das G9 wieder eingeführt, durch die Schule quält, uns dauernd verflucht und die Zeit mehr schlecht als recht übersteht, nur dass ihm danach „alle Türen offen“ stehen? Ist man mit einem Realschulabschluss oder gar einem Quali wirklich so viel schlechter dran und verbaut sich seine Zukunft?

Sollte nicht ich als Mama dafür sorgen, dass mein Kind in erster Linie glücklich ist? Ungeachtet des starren Bewertungssystems von Noten, die rein gar nichts über die Stärken und Schwächen meines Kindes aussagen?

Der individuelle Lebensweg

Heute ist es nicht mehr so starr wie noch vor 20 Jahren. Es gibt so viele Wege, an sein Ziel  zu kommen. Das Schulsystem ist mittlerweile viel durchlässiger – in beide Richtungen. Und ich bin fest davon überzeugt, dass jedes meiner Kinder seinen Weg finden wird. Ob das nun das Gymnasium ist oder eine andere Schulart, ob das ein geistig anspruchsvolles Studium oder eine körperlich anstrengende Lehre ist, ist mir dabei egal. Es ist mir auch egal, ob und wie das Umfeld auf ihren Weg reagiert.

Ich wünsche mir, dass meine Kinder zu starken Persönlichkeiten heranwachsen, die sich trauen zu äußern, was sie wollen und was nicht. Menschen, die genug Selbstwertgefühl haben, um den Weg einzuschlagen, den sie für richtig halten. Unglückliche Kinder, die sich durch die Schule gequält haben, nur dass sie zum Schluss alles machen können. Und was ist denn alles?

Ich will glückliche Kinder

Ja, Kinder sollten einen guten Schulabschluss haben und dadurch in der Lage sein, sich den passenden Beruf oder die bestmögliche individuelle Weiterbildung herauszusuchen. Ich finde aus auch wichtig, dass meine Mäuse sich im Erwachsenenalter selbst über Wasser halten können und möglichst wenig auf (staatliche) Hilfen angewiesen sind.

Aber was mir wirklich am Allerwichtigsten ist, ist eine sorglose Kindheit. Eine Kindheit, bei der die Schule nur die Hälfte der Zeit in Anspruch nimmt und gern besucht wird, ohne Angst vor miesen Noten oder meiner Reaktion darauf. Ich will Kinder, die sich nachmittags mit Freunden treffen, ein Eis essen, sich in die Blumenwiese legen und den Himmel betrachten. Kinder, die IHRE Ziele verfolgen und daran arbeiten.  Nicht meine Ziele. Ich wünsche mir Kinder, die Freizeit haben, selbst entscheiden können und dürfen, wie sie ihre Nachmittage verbringen und nicht in dauerhafte Fremdbetreuung gesteckt werden, weil sie durch ihren eigenen Kopf „schwierig sind“. Ja, ich will einfach unbedarfte und glückliche Kinder.

Schule ist nicht alles

Die Schule ist ein wichtiger Teil im Leben meiner Kinder und nimmt viel Zeit in Anspruch. Aber sie ist nicht alles. Schule ebnet uns den Weg, um unsere Ziele und Wünsche zu erreichen, aber sie sagt rein gar nichts über den Menschen hinter den Noten aus.

Denn Noten, wenn sie nicht gerade in naturwissenschaftlichen Fächern schriftlich vergeben wurden, sind immer subjektiv geprägt. Geprägt von Sympathie, Empathie und Antipathie. Sie sind geprägt von der Tagesform, vom Interesse am Fach und vom dadurch individuellen Ehrgeiz. Aber sie sagen nichts über das Herz und die Seele des Menschen aus. Die Noten sagen nichts darüber aus, ob man ein guter Zuhörer, ein schlechter Redner oder ein einfühlsamer Mensch ist.

Über Ehrenrunden und Umwege

Ich finde übrigens nichts daran verwerflich, muss ein Kind eine Klasse wiederholen. Das kommt vor und ist weder negativ noch positiv zu bewerten. Hätte ich nicht nach jedem Zwischenzeugnis die Pobacken zusammen gekniffen, weil ich die Klassenkameraden nicht verlieren wollte, hätte ich auch die eine oder andere Runde gedreht.

Oder einfach meine Wunschlehre angefangen, die ich leider nicht machen durfte. Heute fühle ich mich zu alt, um noch die Lehre zu machen, die mir verwehrt wurde, weil ich nach der zehnten eben nicht von der Schule gehen durfte und stattdessen das Abitur machen sollte. Und ich bereue es, nicht hartnäckiger für meinen Wunsch gekämpft zu haben.

Ich reiche dir die Hand

Statt meine Kinder in ein System zu zwängen, mit dem sie unglücklich sind, will ich ihnen die Hand reichen, sie begleiten und unterstützen bei ihrem individuellen Lebensweg. Dem Weg, den sie gehen wollen und nicht unbedingt der, den ich vielleicht für richtig halte. Ich will da sein, den Rücken stärken und Verständnis und Einsicht auf schlüssige Argumentationen aufbringen. Und ich will ihnen zeigen, dass es okay ist, wenn sie „nur“ die Realschule oder die Mittelschule besuchen wollen. Andere Wege werde ich aufzeigen, aber niemals aufdrängen.

Denn meine Schulzeit ist schon vorbei. Mein Weg da durch ist schon gegangen. Und was mein Weg war, muss nicht ihr Weg sein. Aber es ist meine Aufgabe als Mama zu zeigen, dass auch andere Lebenswege völlig okay sind und glücklich und zufrieden machen und es nicht das eine Patentrezept gibt. Es ist meine Aufgabe als Mama, sie zu lenken, aber nicht zu überstimmen.

Meine Kinder sollten ihren Weg gehen und ich reiche ihnen die Hand und begleite sie. Denn es bringt weder mir noch den Kindern was, wenn sie sich quälen. Wenn sie sich quälen für einen Traum, den ich habe.

Mein Lebensweg ist nicht der meiner Kinder. Und der meiner Kinder ist individuell – so wie sie selbst!

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